Um Wildschäden zu verhindern, müssen alle Beteiligten mitziehen. Foto: Reinecke

Jagdpacht: Das Jagdgeld ist nicht alles

Jagdreviere werden häufig gegen Höchstgebot verpachtet. Dadurch ist das Problem von Wildschäden aber bei Weitem nicht gelöst.

Herr Reinecke, Wildschäden in Wald und Feld sind für Waldbesitzer und Landwirte ärgerlich. Ihren Angaben nach könnte das Zusammenwirken von Grundeigentümern, Jagdpächter und Forst innerhalb des gemeinschaftlichen Jagdbezirkes Liesen als Vorbild für viele andere dienen. Beschreiben Sie kurz die Situation bei Ihnen vor Ort: Um was für ein Revier handelt es sich? Wo genau befindet es sich?

Reinecke: Es handelt sich um einen knapp 800 ha großen gemeinschaftlichen Jagdbezirk einschließlich eines Eigen­jagdbezirkes der Stadt Hallenberg im östlichen Ausläufer des Rothaargebirges im Hochsauerlandkreis. Der Jagdbezirk wird durch eine gemischt land- und forstwirtschaftliche Nutzung geprägt. Im nord- und nordwestlichen Bereich dominieren größere zusammenhängende Waldkomplexe. Aufgrund der Nähe zu Hessen und der geschichtlichen Gegebenheiten herrschte hier allerdings Real­teilung vor. Die Eigentumsflächen der Waldbesitzer sind daher durchschnittlich nur 0,75 ha groß, wobei es sich dann auch noch um mehrere, nicht zusammenhängende Flächen handelt. In der Mitte und im östlichen Bereich des Jagdbezirkes prägen intensiv landwirtschaftlich genutzte Flächen das Bild. Jagdlich gehört das Revier mit zu einem Rotwildring. Vorkommende Wildarten sind Rotwild, Schwarzwild, Rehwild und Hasen.

Und wer sind die „Akteure“? Sind alle in der Region beheimatet, auch der Jagdpächter?

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Reinecke: Die Grundbesitzer leben zum überwiegenden Teil vor Ort. Der langjährige Jagdpächter wohnt im Ruhrgebiet, hat also einen Anfahrtsweg von rund 200 km zu ­seinem Revier.

Teilt man die Akteure in ihre Funktionen auf, ist die landwirtschaftliche Seite im Jagdvorstand stark vertreten. Für die Landwirte bedeuten Wildschäden vor allem Futterverluste. Die waldbauliche Seite war immer etwas stiefmütterlich behandelt worden. Fichtenbestände, die in der Vergangenheit zu 100 % geschält worden sind, tun dem Jagdpächter nicht mehr weh, hierfür braucht er keinen Wildschaden mehr zu bezahlen.

Wie war die Ausgangssituation? Wie hat sich das aktuell gute Zusammenwirken entwickelt?

Reinecke: Die Ausgangssituation war so, wie es klassisch immer abläuft: Es  haben sich Fronten gebildet. Es ist für einen Landwirt eben keine Arbeitserleichterung, wenn eine „Herde“ Rotwild über Nacht seine Wiese „abmäht“. Auch ist er nicht glücklich über den frischen Biodünger, den er bei der Silagebereitung zusammen mit dem Gras ins Silo einbringt. Hier geht es um Futtervernichtung und -entwertung. Ebenso versteht ein Landwirt nicht die Probleme bei der Erfüllung des Abschussplanes.

Was geschieht, wenn alles vermeintlich Gute, was man unternimmt, nicht anerkannt wird und sogar noch gemeckert wird? Man zieht sich als Jagdpächter zurück. Das Ergebnis: Kommunikation zwischen den Parteien fand nicht mehr statt. Es herrschte grund­legendes Unverständnis für die ­jeweils andere Seite.

Zu einem guten Zusammenwirken – mit immer noch demselben Jagdpächter – ist es durch Klauseln im Jagdpachtvertrag gekommen. Dazu Beispiele: Wird der festgesetzte Abschuss von weiblichem Schalenwild, Kälbern, und Kitzen bis Ende November nicht wenigstens zu 80 % je Wildart erfüllt, liegt ein Kündigungsgrund vor. Zudem ist geregelt, das bei Verdacht auf „Postkartenabschüsse“ der körperliche Nachweis eingeführt wird. Im Wiederholungsfall derartiger, fehlerhafter Meldungen wäre dies ebenfalls ein Kündigungsgrund.

Im Ergebnis muss sich der Pächter anstrengen, im Dialog zu bleiben und seine Situation bezüglich des Abschusses immer transparent zu halten.

Auf der Gegenseite stellen beispielsweise die Verpächter Wildäsungsflächen gegen Zahlung des ortsüblichen landwirtschaftlichen Pachtpreises zur Verfügung.

Vertraglich vereinbart ist zudem, dass der Jagdpächter in Absprache mit den Verpächtern im Revier acht Weiserzäune errichtet. Sie machen den Wilddruck sichtbar und verdeutlichen auch dem Eigen­tümer, was eigentlich auf ­seinen Flächen möglich ist.

Wie äußert sich das gute Zusammenspiel in der Praxis?

Reinecke: Einmal im Jahr findet ein gemeinsamer Revierbegang statt, zu dem alle Interessierten eingeladen werden. Zudem wird ein Protokoll erstellt, in dem die angesprochenen Punkte beider Seiten festgehalten und umgesetzt werden. Außerdem gibt es einen guten, akzeptierten Jagdaufseher, der eingreifen kann und darf. Eine solche Person wird vielerorts oft als wichtiges Bindeglied von beiden Seiten übersehen. Der bei uns installierte Jagdauf­seher spricht die Probleme auf beiden Seiten an, hilft zu klären und zu schlichten.

Was ist Ihr „Geheimrezept“ für eine gute Zusammenarbeit und um gemeinsam Wildschäden zu verhindern?

Reinecke: Alles das, was Menschen zusammenbringt und zusammenhält: Zuhören, versuchen zu verstehen, die Zwänge beider Seiten mitbekommen. Akzeptanz auf Augenhöhe. Wie heißt es so schön: Es gibt kein Wald-Wild-Problem, sondern nur ein zwischenmenschliches …

Das Geheimrezept ist nicht der Weihnachtsbraten für den Jagdvorstand oder ein möglichst hohes Jagdgeld. Kein Pachtpreis in dieser Region deckt den Schaden im Wald. Daher ist der Versuch, einen „guten“ monetären Ausgleich über den Jagdpachtzins zu erlangen, der falsche Ansatz. Wichtig ist es, aufeinander zuzugehen und gemeinsam die Jagd zu gestalten.

Das Interview führte Britta Petercord.

Jürgen Reinecke ist Revierförster bei Wald und Holz NRW, Regionalforstamt Oberes Sauerland, und betreut die Klein­waldbe­sitzer im Forstbetriebsbezirk Nuhne, zu dem auch der gemeinschaftliche Jagdbezirk Liesen gehört.

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