Während die Fichten unter dem Druck von Trockenstress und Käferfraß abgestorben sind, trotzen diese Weißtannen dem Wassermangel. Foto: Schlotmann

Fichtenwald erfordert waldbauliches Umdenken

Die Trockenheit und ihre Folgen dezimieren die Waldbestände. Ein Waldumbau ist dringend nötig, aber nicht innerhalb kurzer Zeit möglich. Jetzt kommt es auf die richtige Pflege der bestehenden Wälder an.

Buche, Fichte und Co.: Kaum eine Baumart leidet nicht unter den Folgen des Wassermangels. Viele der „Forsten“ verabschieden sich, sodass immer deutlicher wird: Nur Mischwälder sind wirklich klimastabil. Während sich auf Kahlflächen vergleichsweise zügig ein Mischwald aufbauen lässt,
ist die Situation vor allem in den ­bestehenden Fichtenreinbeständen schwieriger – aber nicht aussichtslos. Mit welchen waldbaulichen Werkzeugen „Wackelkandidaten“ zu stabilen Mischwäldern werden können, weiß Dr. Bertram Leder, Waldbauexperte bei Wald und Holz NRW.

Die Fichte bleibt interessant

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Unbestritten ist die Fichte für viele Forstbetriebe noch immer die wirtschaftlich interessanteste Baumart. Sie ist Garant für die Rohholzversorgung und „Renner“ als Speicher von Kohlenstoffdioxid. „Wir dürfen uns nicht komplett von der Fichte verabschieden“, meint Leder, wenngleich ihre Zeit als „Soldat im Reinbestand“ längst vorbei ist. Waldbau mit der Fichte wird komplizierter, ist sich der Leiter des Zentrums für Wald und Holzwirtschaft sicher.
Der Aufbau der Wälder ist ein Spiegelbild der Waldgeschichte und der Bedürfnisse der vergangenen Generationen an den Wald. Während beispielsweise die Fichte in der Vergangenheit angesichts der Reparationshiebe gefordert und ungeachtet der standörtlichen Eignung angepflanzt wurde, kommt es hinsichtlich des Klimawandels entscheidend auf die Boden-, Wasser- und Nährstoffverhältnisse an. „In standortgerechten Mischbeständen beispielsweise mit Buche und Weißtanne hat die Fichte auch in Zukunft ihre Berechtigung“, meint Leder.

Die Widerstandskraft der Bäume scheint verschieden zu sein: Forstwissenschaftler gehen dieser Fragestellung auf den Grund. Foto: Schlotmann

Struktur schaffen

Der Forstwissenschaftler empfiehlt unterschiedliche Strategien für den standortgerechten Umbau labiler Fichtenbestände.
Die „Überführungsstrategie“ nennt der Waldbaufachmann zuerst. Grundlage der Strategie ist ein Vor­anbau beispielsweise mit Buche, Weißtanne oder Küstentanne. In der Praxis wird der Fichtenwald horst- oder truppweise mit den Mischbaum­arten angepflanzt und um Struktur bereichert. Besonders Bestandeslücken sind für die Anpflanzung sinnvoll. Die Pflanzen sollte der Waldbauer in üblichen Verbänden von 1 x 3 m oder 2 x 2 m einbringen.
Mit der Strategie lassen sich auch geschwächte Buchen, Lärchen oder Kiefernbestände in einen Mischbestand überführen. Grundlage ist die an den Standort angepasste Baum­artenwahl, erklärt Leder.
Statt eines Voranbaus lohnt es mitunter, den stehenden Bestand anzupassen. Hierbei wird einerseits durch gestaffelte Durchforstungen (stark im jungen Alter, mäßig im mittleren Alter, schwach im hohen Alter) die Stabilität und Gesundheit des Einzelbaumes gefördert. Andererseits schafft die konsequente Förderung von „Zukunfts-Bäumen“ unterschiedliche Lichtverhältnisse, die wiederum die Wuchsbedingungen für eine gleichzeitige Waldverjüngung fördern.
Laut Leder sind hierfür nicht zwingend Anpflanzungen nötig, sondern auch die Naturverjüngung oder Pionierbaumarten geeignet – sofern sie standortgerecht sind.

Umtriebszeit senken

Im Bauernwald ist häufig noch ­immer die „Negativauslese“ als Durchforstungsstrategie verbreitet. Ziel sind dabei möglichst viele, qualitativ gute Bäume im Altbestand. Genau wie die Produktionszeit ist auch das Risiko dieser Strategie hoch – zum Beispiel durch Sturm und Schädlinge.
Leder empfiehlt stattdessen die Ausweichstrategie. Dabei wird die Umtriebszeit rapide gesenkt. Neues Ziel sind weniger und kürzere Bäume auf der Fläche. Statt langer und ast­freier Schäfte sowie feinastiger Kronen liegt das Augenmerk vor allem auf der Einzelbaumstabilität und der Gesundheit. „Gesunde Bäume brauchen große Kronen“, sagt Leder. Fichten werden dabei stärker und häufiger durchforstet, damit ihr Durchmesser schneller wächst. Alles in allem senkt die Strategie die Sturmwurfgefahr und durch die kürzere Produktionszeit den Gefährdungszeitraum des Bestandes. „Warum Geld riskieren, wenn man es verdienen kann?“, gibt Leder zu bedenken.

Dr. Bertram Leder, Wald und Holz NRW. Foto: Schlotmann

Kahlfläche: „Kein Grund zu verzweifeln“

Wo Käfer, Sturm und Dürre nur eine Kahlfläche übrig gelassen haben, ist eine Wiederaufforstung unausweichlich. Der reinbestandsweise Anbau von Douglasie statt Fichte stößt bei Leder auf Unverständnis. Die Aussage „Einmal Fichte geht noch“, kennt der Waldbauexperte bestens.
Bei der Wiederbewaldung zählt für Leder ausschließlich der Misch­wald. Bei gegebenen Voraussetzungen sollten Waldbauern eine sich einstellende, standortgerechte Naturverjüngung einbeziehen und auch Pionierbaumarten wie Birke, Erle, Vogelbeere und Kiefer oder Lärche zulassen. In das Gefüge lassen sich nach acht bis zehn Jahren weitere Baumarten mit wirtschaftlichem Schwerpunkt einbringen.
Anders als noch vor Jahren hat sich hinsichtlich der Baumartenwahl die Einstellung des Försters geändert: „Meine Euphorie für fremdländische Baumarten ist gedeckelt“, räumt Leder ein. Grund dafür sind Beobachtungen kranker Douglasien sowie absterbender Pazifischer Edeltannen und Küstentannen.
Für Leder haben deshalb heimische Baumarten Priorität. Neben Eiche und Lärche steht für ihn die Weißtanne im Vordergrund. Nebenbaumarten erhalten einen höheren Stellenwert. Dazu gehören für Leder unter anderem Hainbuche, Winterlinde, Elsbeere, Kirsche und anderes Wildobst.

Alternativen aus Europa finden

An zweiter Stelle stehen für ihn heimische Baumarten anderer europäischer Herkunft, wie die Slawonische Eiche oder die Korsische Schwarzkiefer. Sie sind besser an Wärme und Trockenheit angepasst als heimische Herkünfte.
Baumhasel, Nordmanntanne oder Esskastanie sind fremdländische Baumarten aus dem europäischen Ausland. Bei der Wiederbewaldung nehmen sie für Leder den dritten Platz ein. An vierter und letzter Stelle kommen für den Waldbauexperten fremdländische Baum­arten aus Nordamerika oder Asien, wie der Riesen-Lebensbaum, die Lindenblättrige Birke oder die Japanische Sicheltanne. Sie eignen sich als Mischbaumarten – gruppen- oder horstweise eingemischt –, sollten aber wegen mitunter geringer Anbauerfahrung oder neuartiger Krankheiten vorsichtig eingesetzt werden.
Neben der Wahl geeigneter Baum­arten ist die gezielte Pflege des Jungwuchses entscheidend. Dabei sollten Waldbesitzer die Baumartenvielfalt fördern. Ziel ist für ­Leder eine breite Baum­arten­palette.

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