Ein Bestand mit vielen Baumarten streut das betriebswirtschaftliche Risiko. Foto: Schlotmann

Weichlaubhölzer: Pioniere des Waldes

Im Bauernwald werden Birke, Weide und andere Weichlaubhölzer häufig immer noch als „Unkraut“ abgestempelt. Dabei leisten die Pionierbaumarten Beachtliches für den Boden, das Kleinklima und die Hauptbaumarten.

Wie Jan Zimmermanns, Waldvorsteher Dr. Hartmut Müller sowie Martin Sorg und Klaus Münker (von links) vom Regionalforstamt Siegen-Wittgenstein zeigen, dienen Pionierbaumarten dem Wald und produzieren interessante Hölzer. (Bildquelle: Schlotmann)

Mehr als zwölf Baumarten wachsen mittlerweile am „Siegerberg“ in der 157 ha großen Waldgenossenschaft Kredenbach A. Nachdem 2007 der Orkan Kyrill den 85-jährigen Vorbestand aus Fichte geworfen hatte, fiel die Entscheidung für den „bunten“ Wald. Um das Risiko künftig zu streuen, bauten die Waldgenossen neben Laubholz unter anderem Douglasie, Weiß- und Küstentanne sowie zweierlei Lärchenarten an und setzen seither außerdem auf die positiven Effekte der Pionierbaumarten. Sie prägen den Wald und das Waldbild heute wesentlich. Für die Siegerländer Waldgenossen sind die Weichlaubhölzer darum eine lohnende Ergänzung und waldbauliches Handwerkszeug geworden.

(K)Einmal Fichte geht noch

Kyrill verursachte überall im Sieger- , Sauerland und Wittgenstein große Schäden – vor allem in den Fichtenwäldern. Statt bei der Wiederbewaldung alles auf eine Karte zu setzen, entschied sich die Waldgenossenschaft Kredenbach A für mehr Vielfalt und ein anderes waldbauliches Konzept. „Mindestens drei Nadelbaumarten auf jeder Fläche“ ist das heutige Leitbild, erklärt Waldvorsteher Dr. Hartmut Müller, angelehnt an das „Bergmischwaldkonzept“ des Forstamtes Siegen- Wittgenstein. Gleichzeitig sollten die Kulturkosten nicht höher als 2500 €/ha sein – die Kosten für eine Fichtenkultur.
Daher brachten die Waldgenossen lediglich die standortgerechten Baumarten aktiv ein, die sich vermutlich nicht selbst ansamen würden. Gepflanzt wurde blockweise in Weitverbänden oder Nestern. Von Beginn an ist die natürliche Verjüngung mit einbezogen worden. Dabei spielen die Pionier­baum­arten Birke, Zitter-Pappel, Eberesche und Weide neben der Fichten-Naturverjüngung eine wichtige Rolle. Auf diese Weise wurden die Waldbesitzer für die von der Natur kostenlos bereitgestellten Weichlaubhölzer sensibilisiert. Neben den waldbaulichen und ökologischen Vorteilen erwächst ganz von selbst ein stattlicher Brennholzvorrat und damit eine lohnende Möglichkeit der Vornutzung.

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Waldbauliches Werkzeug

Am Siegerberg zeigt sich, welche Vorteile die Weichlaubhölzer mit sich bringen. „Die lichten Kronen bieten einen vorteilhaften Halbschatten“, sagt Förster Martin Sorg vom Regionalforstamt Siegen-Wittgenstein. Durch die unterschied­lichen Lichtverhältnisse werden beispielsweise Brombeere oder Adlerfarn ausgedunkelt. Gleichzeitig haben die Weichlaubhölzer eine erzieherische Wirkung auf andere Laub- und Nadelhölzer: Dichtstand und Schirm fördern die Wipfelschäftigkeit, Feinastigkeit und die natürliche Ast­reinigung. Die hohe Artenvielfalt bietet zudem einen weiteren Vorteil: Das Angebot vieler Baumarten streut das betriebswirtschaftliche Risiko. Um im hohen Bestandsalter auf Markttrends reagieren zu können, planen die Waldgenossen gezielt einige Vogelbeeren, Birken und andere Baum­arten zu pflegen, fördern und wertzuästen. Trotz allem liegt das wirtschaftliche Gewicht auf der Nadelholzproduktion.

Besondere Pflege

Ungeachtet der positiven Effekte erfordern die Weichlaubhölzer bei der Waldpflege besondere Aufmerksamkeit. Beispielsweise ist eine Mischwuchsregulierung nötig – es werden Weichlaubhölzer zugunsten wertvollerer Tannen, Eichen oder Buchen entnommen. Dabei ist die Technik entscheidend. Sorg sagt: „Die Zitter-Pappel neigt zu Wurzelbrut und Stockausschlag. Darum sollten Waldbauern sie nicht komplett absägen, sondern knicken.“ Die Birke erfordert eine andere Pflege: „Wir müssen verhindern, dass die elastischen, rauen Birkenzweige durch Peitschen benachbarte Leittriebe anderer Baumarten zerstören oder deformieren“, gibt Martin Sorg zu bedenken. Zudem benötigt die Birke Kronenpflege, um Schäden durch Schneedruck vorzubeugen. Zur Wertsteigerung wird die Birke bereits frühzeitig wertgeästet, ab einem Brusthöhendurchmesser von 6 bis 8 cm.
Anderes Augenmerk richtet der Revierförster auf die Sal-Weide. Sie bildet häufig sperrige Kronen und dunkelt Nachbarbäume aus. Darum empfiehlt er Weiden-Protze zu entnehmen und als Brennholz zu nutzen. Durch die Maßnahmen sinkt die Anzahl der Pionierbäume/ha mit steigendem Bestands­alter. Wegen der gezielten Pflege besonders wüchsiger und wertvoller Weichlaubhölzer verschwinden sie aber nicht von der Fläche. Zusammen mit den gepflanzten Laub- und Nadelbäumen bleibt als Ergebnis ein artenreicher Nadel-Laubholz­-Mischbestand.
Weil Kyrill den jährlichen Hiebssatz der Waldgenossenschaft etwa auf ein Drittel des ursprünglichen Wertes gesenkt hat, sind Einnahmen aus der Vornutzung für Müller und die anderen Waldgenossen nötig – nicht zuletzt, um die Kulturkosten zu decken. Bereits vor der Wiederbewaldung haben Förster und Waldvorsteher ein Feinerschließungsnetz für die Sturmflächen geplant. Als erste Maßnahme der Kulturbegründung pflanzten die Waldgenossen dort reihenweise Fichten an. Damit verfolgen sie folgende Ziele:
– Die zum Teil großen Windwurfflächen werden sinnvoll und dauerhaft gegliedert.
– Infolge der bepflanzten künftigen Rückegassen entstehen weniger wertgeminderte Randbäume und auch die Fichten erwachsen feinastig. Außerdem bieten sie Einnahmen aus der Vornutzung, ihre Zweige und das Restholz liefern Biomasse und somit Nährstoffe.
– Die Wurzelsysteme der Fichten festigen den Boden – auch noch nach der Ernte.

Durch Dichtstand ist diese rund 25-jährige Douglasie sehr feinastig gewachsen, urteilt Klaus Münker. (Bildquelle: Schlotmann)

Vorteile für den Wald

Weichlaubhölzer bereichern den Wald auf besondere Weise, weiß Klaus Münker, Fachgebietsleiter Hoheit am Regionalforstamt Siegen-Wittgenstein. Die meist anspruchslosen Baumarten besiedeln Sturmwurfflächen trotz widriger Bedingungen wie Sonne oder starkem Regen. Ihre Samen fliegen über mehrere Hundert Meter oder werden von Tieren verbreitet. Das Jugendwachstum der Weichlaubhölzer ist rasch, weshalb sich schnell ein sogenannter Vorwald entwickelt. Als typische Arten kommen hierzulande vor allem die Sand-Birke, die Zitter-Pappel, die Sal-Weide und die Vogelbeere vor. Der Lichtbedarf der einzelnen Arten ist hoch, allerdings lassen Birke und Co. ausreichend Lichtstrahlung für andere Baum­arten durch ihre Kronen.
Neben der erzieherischen Wirkung auf die Hauptbaumarten bieten die Weichlaubhölzer Schutz vor Spätfrösten und verbessern mit ihrer gut zersetzbaren Streu den Boden. Auf der Freifläche etabliert, binden die Pionierbaumarten Nährstoffe, sodass es deutlich weniger Auswaschungseffekte gibt.
„Die Weichlaubhölzer erhöhen die Artenvielfalt und bieten Insekten, Vögeln und Pilzen einen wertvollen Lebensraum“, so Münker. Zum Beispiel sind Weidekätzchen die erste nennenswerte Bienenweide im Frühjahr. „Trotz aller Vorteile wurden die Pionierbaum­arten in der Vergangenheit eher stiefmütterlich behandelt“, resümiert Klaus Münker.

Bunter Mischwald

Die Kyrillfläche der Waldgenossenschaft Kredenbach A am Siegerberg ist im Rahmen einer
Bachelorarbeit an der Fachhochschule Rottenburg wissen­schaft­lich untersucht worden. Auf 10 % der 8,5 ha großen Fläche wurden 2012 mithilfe von 100 m² großen Probeflächen sämtliche Baumarten aufgenommen. Insgesamt wurden zwölf verschiedene Gehölze gezählt. Neben Birke, Sal-Weide, Espe, Eber­esche und Fichte aus Naturverjüngung brachten die Waldgenossen weitere Baumarten künstlich ein. Im Herbst 2008 und Frühjahr 2009 pflanzten sie Douglasie, Küstentanne, Japanische und Europäische Lärche, Buche, Esskastanie, Trauben-­Eiche und Berg-Ahorn im Weitverband bzw. in Nestern. Die Fichte wurde auf den Rückegassen eingebracht. Aus dem ehemaligen Fichtenreinbestand ist durch Naturverjüngung und Pflanzung – zwei Drittel der Bäumchen sind aus Naturverjüngung – ein Mischbestand mit sieben Laub- und fünf Nadelbaumarten entstanden.

Aus Fehlern lernen

Die Waldgenossen aus dem Siegerland sind nur ein Beispiel dafür, dass sich auf ungeeigneten Standorten mit dem Credo „Einmal Fichte geht noch“ kein Blumentopf gewinnen lässt. Die Waldbauern haben den Kyrill-Windwurf zum Anlass genommen, ihren Wald von Grund auf umzubauen. Dabei zeigen sie, dass ein leistungsfähiger und zudem stabiler Wald nicht viel kosten muss. Ihr Ziel, viele Baumarten bei gleichzeitig niedrigen Kulturkosten auf die Fläche zu bringen, konnten sie mit dem geschickten Einsatz eines Vorwaldes aus Weichlaubhölzern erreichen. Dabei lassen die Waldgenossen die wirtschaftlichen Aspekte nicht außer Acht und planen beispielsweise mit zusätzlichen Einnahmen aus dem Brennholzverkauf.
Sicherlich ist hinsichtlich der Risikostreuung der Mischwald das geeignetste Mittel. Welche Baum­arten Waldbauern dabei tatsächlich anpflanzen – heimische oder fremdländische Gehölze – muss jeder Betrieb selbst abwägen.
Eines wird anhand der Waldgenossen deutlich: Ohne den Orkan Kyrill wäre der schnelle Waldumbau kaum möglich gewesen. Jeder Waldbesitzer setzt mit einem Reinbestand betriebswirtschaftlich alles auf eine Karte. Warum also nicht Mischung durch Pionierbaumarten zulassen, statt teuer und aufwendig vernichten?

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