„Natur Natur sein lassen“ ist für große Schadflächen wie hier im Arnsberger Wald kein brauchbares Rezept. Das Samenpotenzial der Fichte im Boden ist groß. Der Anflug weiterer Baumarten außer der Birke unwahrscheinlich. Foto: Stratmann

Wiederbewalden mit Naturverjüngung?

Saatgut ist Mangelware und darum Pflanzgut perspektivisch ebenso. Naturverjüngung kann diesen Engpass bei der Wiederbewaldung ausgleichen. Doch dabei gibt es viel zu beachten.

Manchem Waldbesitzer erscheint die Möglichkeit verlockend, einfach die Natur walten zu lassen. Heißt: Die Schadflächen natürlich zu verjüngen und damit gleichzeitig viel Aufwand und Geld zu sparen. Schließlich ist forstliches Saatgut wegen geringer Ernten in den vergangenen Jahren ohnehin knapp. Die Baumschulen haben große Probleme, den Pflanzenbedarf der Forstbetriebe nach Menge, Baumart und Sortiment zu bedienen. Das verzögert den Wiederaufbau der Wälder. Ihr dringend benötigter Beitrag zum Klimaschutz bleibt vorerst auf der Strecke. Die Naturverjüngung ist die Lösung des Problems, oder doch nicht?

[ihc-hide-content ihc_mb_type=“show“ ihc_mb_who=“4,7″ ihc_mb_template=“3″]

Ist der Nachwuchs auch klimastabil?

Garantiert ist das Gelingen von Naturverjüngungen keineswegs und hinsichtlich ihrer erforderlichen Klimastabilität oft auch nicht zielführend – beispielsweise ein trockener Südhang, der sich weitgehend wieder mit Fichte verjüngt. Und welche Baumarten werden sich überhaupt auf der Fläche einstellen? Entsprechen sie den Zielen des Betriebs? Mit einem Wald aus Birken, Weiden und Aspen wäre wirtschaftlich nichts gewonnen. Nicht zu vergessen ist zudem ein Blick auf die Qualität der Bestände, deren Samen die Verjüngung liefern soll – wird beim Pflanzenkauf auf die richtige Herkunft doch viel Wert gelegt. Dass ein Saatgutbestand an die Schadflächen angrenzt, wird seltenes Glück sein. Doch warum gar nicht nutzen, was es „kostenlos“ gibt?

Je nach Situation können die angestrebten Zielbaumarten in ausreichender Pflanzenzahl in die naturverjüngte Fläche eingebracht werden. Wo das unproblematisch ist, bieten die naturverjüngten Baumarten eventuell eine günstige Zeitmischung, die in späteren ­Pflegehieben wieder entnommen wird. Hier muss der Betrieb allerdings die Entwicklung konsequent verfolgen und steuern. Dafür sind Fachwissen und Arbeitszeit nötig. Ist das gewährleistet, lässt sich mit der Naturverjüngung Zeit gewinnen – und oft auch Erfahrung.

Lassen sich die Zielbaumarten nicht erfolgreich einbringen, könnten die naturverjüngten Bäume später als Vorwald dienen. Die Zielbaumart wird später im Stangenholz unter dessen schützenden Schirm gepflanzt. Dieses Vorgehen bietet Vorteile bei Baumarten, die unter den schwierigen Klimabedingungen großer Freiflächen dort nur schwer mit Erfolg angepflanzt werden können. Dazu zählen vor allem Rotbuche und Weißtanne.

Schwere Samen, leichte Samen: Der Samenflug ist begrenzt!

„Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm!“ Klimastabile Baumarten wie Eiche und Buche verjüngen sich vor allem nahe ihrer Mutterbäume.
Foto: Schildmann

Auf den oft riesigen Freiflächen gibt es ein weiteres Problem: Bei einer Entfernung von mehr als 200 m zu den Samenbäumen ist auch die Verbreitung leichtsamiger Arten durch den Wind limitiert. Eichen und Buchen, die für viele Standorte als klimastabil gelten, verjüngen sich aufgrund ihres Samengewichts meist nur nahe ihrer Mutterbäume. Damit scheiden diese wichtigen Baumarten auf den meisten Schadflächen für eine Naturverjüngung aus. Auch sogenannte Hähersaaten bieten keine praxistaugliche Lösung. Hierbei werden Tische an Freiflächen aufgestellt und mit Eicheln befüllt. Eichelhäher sollen das Saatgut anschließend in die Fläche bringen. Wer dennoch auf die Mithilfe von Vögeln setzt, beispielsweise für eine Kirschensaat, sollte ihnen auch „Sitzmöglichkeiten“ bieten. In der Praxis heißt das, die Flächen nicht von jeder Krone und jedem Stammrest räumen.

Wo Gräser und Kräuter bereits Fuß gefasst haben, hat es jede Naturverjüngung schwer. Hier muss mit Bodenbearbeitung nachgeholfen werden. Das Mulchen mit Schlepper oder Rückeraupe oder eine Bodenverwundung mit einem Pferdepflug sind erprobte Methoden. Waldbesitzer sollten aber die zusätzlichen Kosten für diese Maßnahmen bedenken.

Wie bei jungen Kulturen darf auch bei Naturverjüngung die Pflege, Steuerung und speziell Stammzahlreduzierung nicht unbeachtet bleiben. Das verlangt Zeit, viel ­Erfahrung und kostet Geld. Ohne diesen „Input“ gerät das Ziel eines klimastabilen, leistungsfähigen Folgebestandes rasch in Gefahr.

Autor: Dr. Josef Stratmann

[/ihc-hide-content]