Abgestorbene Fichten sind markante Beispiele für die eingeschränkte Anpassungsfähigkeit von Bäumen an Wetterextreme wie längere Dürrephasen. (Bildquelle: reisezielinfo/stock.adobe.com)

Trockenheit bestimmt den Waldbau

Planbare Forstwirtschaft scheint angesichts andauernder Käfer- und Trockenschäden kaum noch möglich. Wie lässt sich da wiederaufforsten? Wir blicken mit einem Experten auf den Waldzustand und die Wiederbewaldung.

Interview mit Dr. Bertram Leder, dem Leiter des Zentrums für Wald und Holzwirtschaft, Wald und Holz NRW

Dr. Bertram Leder. Foto: Schlotmann

Nach einem sehr nassen Februar ist es aktuell wieder sehr trocken – der Beginn eines weiteren Dürrejahres?
Leider scheint es so zu sein. Aktuell beobachten wir die gleiche Wetterlage wie 2018, mit einem relativ nassen Jahresbeginn und einem April, bisher ohne nennenswerte Niederschläge. In vielen Wäldern sind die oberen 10 bis 15 cm der Böden viel zu trocken. Der Dürremonitor bestätigt diesen Eindruck, demnach herrscht in einigen Gebieten bereits Trockenstress. Es sieht nicht „rosig“ aus.

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Mit Blick auf die Wirtschaftsbaumarten: Hat sich die Buche nach den Trockenschäden wieder erholt?
Die Buche reagiert nicht „ad hoc“ auf Witterungseinflüsse. Die sichtbaren Dürreschäden sind eine Folge des Wassermangels aus 2018 und 2019. Ob der zwar ergiebige Niederschlag im Januar und besonders Februar 2020 der Buche hilft, kann ich jetzt noch nicht sagen. Entscheidend ist der weitere Witterungsverlauf. Klar ist, ein weiteres Jahr wie die beiden zurückliegenden wird die Buche nur schwer oder gar nicht verkraften.

Wie geht es der Eiche?
Anders als die Buche vertragen Eichen Wassermangel deutlich besser. Sorgen bereiten uns die Eichenfraßgesellschaften, zu denen der Eichenwickler, der Frostspanner und weitere Schädlinge zählen. Der Eichenprozessionsspinner zum Beispiel vermehrt sich bei der jetzigen Witterung rasant. Obwohl er besonders für uns Menschen gesundheitsschädliche Folgen bewirken kann, kann er auch die Eiche massiv schädigen.
Aktuell laufen mehrere Forschungsprojekte zur Eiche, bei denen wir speziell die Eichenfraßgesellschaften untersuchen.

Wie sieht es mit der Fichte aus: Hat ihr der Regen geholfen und kann sie in diesem Jahr durch Harzfluss den Käfer besser abwehren?
Tatsächlich konnten wir in einigen Gebieten wieder Harzfluss messen. Allerdings ist der Borkenkäferdruck jetzt schon wieder so hoch, dass gesunde Fichtenbestände innerhalb kürzester Zeit braun sind. Der Harzfluss reicht nicht aus, um den Borkenkäfer effektiv abzuwehren. Über 400 m ü. NN wird die Fichte langfristig nur noch als Mischbaumart eine ­Chance haben.

Wenn bislang noch keine Trinet-Fallen aufgestellt worden sind – ist die Installation jetzt noch sinnvoll?
Auf jeden Fall. Der Schwärmflug der Borkenkäfer hat bereits begonnen. Unser Ziel ist es, gesunde Fichtenbestände zu erhalten. Diese Strategie verfolgen wir im Staatswald sehr gewissenhaft. Nur wenn wir mithilfe der Fallen möglichst viele Borkenkäfer abschöpfen, haben wir überhaupt eine Chance gegen den Käfer.

Häufig fragen unsere Leser, ob sie ihr lagerndes Stammholz mit Pflanzenschutzmitteln behandeln sollen. Was ist Ihre Meinung ­dazu?
Ein Pflanzenschutzmitteleinsatz ist grundsätzlich kritisch zu hinterfragen, weil niemand weiß, was die Mittel außerdem anrichten. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist die Polterbehandlung eine zusätzliche Investition, die sich angesichts der aktuellen Marktlage und Holzpreise nur selten lohnt. Man muss ganz klar sagen: Es ist nichts mehr zu gewinnen. Besser wäre es, die Bäume zu entrinden, was sich aufgrund der zum Teil riesigen Holzmengen nicht umsetzen lässt. Ich vermute ohnehin, dass sehr viel Schadholz ungeerntet auf den Flächen stehen bleiben wird.

Sollten die trockenen Bäume vor der Wiederaufforstung geräumt werden oder gibt das Holz einen guten Schirm ab?
Genau mit dieser aktuellen Frage beschäftigen wir uns zurzeit und werden in etwa einem Monat konkrete Hinweise geben können, die dem Waldbesitzer unter die Arme greifen.
Klar ist, dass viele Baumarten, wie zum Beispiel die Buche oder die Weißtanne, kein Freiflächenklima vertragen und ein Schirm besser ist als kein Schirm. Wir haben verschiedene Modelle erarbeitet, wie sich der Schirm aus den trockenen Bäumen sinnvoll nutzen lässt bzw. in welcher Weise die trockenen Bäume geerntet werden sollten. Dazu zählen unter anderem der klassische Saumhieb und der Lochhieb. Die entstandenen freien Teilbereiche werden anschließend wiederaufgeforstet, sofern keine standortgerechte Naturverjüngung vorhanden ist. Eine andere Idee ist das Pflanzen junger Bäume in den Verhau. Diese Lösung ist besonders hinsichtlich des zu erwartenden Wilddrucks interessant: Untersuchungen zufolge ist der Wildverbiss im Verhau in den ersten fünf Jahren nach der Pflanzung deutlich geringer als in Vergleichsflächen.

Es gibt bereits mehr als 40  000 ha Schadflächen (Stand Anfang 2020) in NRW. Viele Betriebe haben schon Pflanzgut bestellt und zum Teil die Bestellungen wieder storniert – wegen der Trockenheit. Sollten sie jetzt wiederaufforsten oder besser bis zum Herbst warten?
Für die Baumschulen ist die Situation dramatisch, weil tatsächlich viele Pflanzenbestellungen storniert worden sind.
Aus waldbaulicher Sicht sollten die Betriebe, bei Fortdauer der trockenen und warmen Witterung, mit der Wiederaufforstung dringend bis zum Herbst warten. Denn die Trockenheit wird hohe Ausfallquoten bewirken, zudem fehlen wegen der Corona-Pandemie schlichtweg Pflanzer, die die Bäume in den Boden bringen.

Viele Experten empfehlen für die Wiederbewaldung die Pflanzung in kleinen Gruppen oder „Klumpen“ – ist das das richtige Wiederaufforstungskonzept?
Zurzeit wird eine Neuauflage des Wiederbewaldungskonzeptes für NRW erarbeitet. Eine flächige Bepflanzung mit nur einer Baumart ist im Klimawandel nicht mehr zielführend. Unser Ziel ist es, mindestens drei Baumarten auf die Fläche zu bringen. Das lässt sich mit Gruppen, Trupps oder Kleinbestandsparzellen am besten erreichen. Ein Grund dafür ist, dass sich auf kleinstandörtliche Besonderheiten reagieren lässt.
In der Vergangenheit haben wir ­flächenweise Buchenvoranbauten durchgeführt, teilweise auf 5 ha Fläche und mehr. Jetzt, da die Fichte darüber vertrocknet, bleibt abzuwarten, was mit den Voranbauten passiert. Untersuchungen belegen, dass die Buche negativ auf plötzliche Freistellung reagiert. Qualitativ hochwertige Bestände sind häufig nicht mehr zu erwarten. Ein Großteil dieser ehemaligen Voranbauten wird dann als „ökologische Beimischung“ zum Waldumbau beitragen.

Sie haben lange Zeit natür­liche Wiederbewaldungsflächen untersucht: Ist das ein Konzept, das sich in der aktuellen Situation lohnt?
Unsere Erfahrungen nach den Stürmen Kyrill, Vivien und Wiebke zeigen, dass das Naturverjüngungspotenzial auf Schadflächen grundsätzlich groß ist. Dokumentationen belegen, dass sich auf den ehemaligen Schadflächen etwa ein Drittel Pionierbaumarten, wie die Birke oder Vogelbeere und zwei Drittel Hauptbaumarten angesamt haben. Zu den Hauptbaumarten zählen vor allem die Fichte, aber auch Buche und Eiche.
Zudem beobachten wir, dass der Birkenschirm vorhandene Fichtennaturverjüngung zurückdrängt und in ihrer Vitalität schwächt. Wir werden demnächst beginnen, schattentolerante Baumarten, bevorzugt die Weißtanne, unter den Birkenschirm zu pflanzen – je nach Standort wären auch Douglasie und Buche möglich.
Auf vielen Kyrillflächen werden oder wurden bereits derartige waldbauliche Maßnahmen durchgeführt. Aber ja, die natürliche Wiederbewaldung ist ein durchaus geeignetes Verfahren.

Schon jetzt ist erkennbar, ­dass sich auf vielen Fichtenschadflächen vor allem Fichten­natur­verjüngung einstellt. Ist das ein Problem?
Nein. Das ist zunächst eine Frage der Standortgerechtheit. Standortgerechte Fichtennaturverjüngung ist mit passenden Mischbaumarten durch Pflanzung oder Saat zu ergänzen. Nicht standortgerechte Fichtennaturverjüngung kann zur Konkurrenzregulierung mit beispielsweise Douglasie oder Weißtanne „überpflanzt“ werden. Weitere Möglichkeiten sind, die Fichte als Vorwaldbaumart oder Zeitmischung in kürzeren Produktionszeiträumen zu bewirtschaften. Sie flächig mit dem Freischneider abzusägen, wäre ­jedenfalls rausgeschmissenes Geld.
Gegebenenfalls können als wertbringende Zeitmischung auch Vorwaldbaumarten gepflanzt werden, die zur Strukturierung und Mischung der künftigen Bestände beitragen.
Das macht auch hinsichtlich des immer häufiger auftretenden Wassermangels Sinn. Denn durch den Schutz des Vorwaldes herrscht Windruhe und es verdunstet weniger Wasser. Außerdem erschließt der Vorwald tiefere Bodenschichten und macht Wasser und Nährstoffe für die jungen Pflanzen verfügbar.

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