Arbeiten Mensch und Maschine eng zusammen, ist eine klare Verständigung beispielsweise über einen Helmfunk nötig. Foto: Schlotmann

Windwurf ist nichts für Laien

Die Aufarbeitung von Windwurf zählt zu den gefährlichsten Arbeiten im Forstbetrieb. Doch mit der entsprechenden Vorbereitung und dem Einsatz helfender Technik lassen sich die Gefahren mindern.

„Unfallfrei durch die Sturmholzaufarbeitung kommen.“ Das ist das Motto von Dirk Brodersen, Fachkraft für Arbeitssicherheit bei Wald und Holz NRW.
In der vergangenen Woche frischte der Förster in einem speziellen Seminar im Forstamt Hochstift
die wichtigsten Sicherheitstipps für die Sturmholzbewältigung auf. Dabei wurde schnell deutlich:
Windwurf ist nichts für Laien. „Respekt ja, Angst nein“, lautet die Faustregel von Brodersen.
Der Förster analysiert gemeinsam mit Forstwirten und Waldbesitzern Unfälle und kennt die häufigsten
Nachlässigkeiten. Grundvoraussetzung für ihn: Wer Windwurf aufarbeitet, muss geschult bzw. qualifiziert sein. Seiner Erfahrung nach entstehen dennoch häufig Unfälle, weil Sicherheitsaspekte durch hohen Arbeitsdruck in den Hintergrund treten. Oftmals ist dieser „hausgemacht“, weil vermeintlich sinkende Holzpreise oder die Witterung zum Handeln anspornen. Gut vorbereitet lassen sich allerdings viele Gefahren mindern, weiß Brodersen.

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Auf die Umgebung achten

Ein fehlender Überblick und schlechte Begehbarkeiten sind die häufigsten Ursachen von Unfällen.
Besonders bei der Sturmholzaufbereitung kommen noch Holz unter Spannung, angeschobene Bäume, hängende Kronenteile und wipfellose Schaftstücke hinzu. Brodersen rät darum: „Beurteilen Sie nicht nur den Einzelstamm, sondern auch seine Umgebung.“ Zuerst Gefahren von oben beseitigen, denn Kronenteile oder angeschobene Bäume werden schnell zur Falle für den darunter arbeitenden
Forstwirt.
Als „Angriffspunkt“ schlägt er vor, von der Windseite ausgehend zu arbeiten. Das gilt besonders
für Flächenwürfe. Denn das Aufarbeiten vom Stammfuß aus ist systematischer, erleichtert die motormanuelle Arbeit und bietet die Möglichkeit, die Würfe mit der Maschine zu entzerren. Umgekippte Wurzelteller lassen sich nach dem Abstocken herunterziehen, was die Gefahr des unkontrollierten Umstürzens ausschließt. Trotzdem gilt die Faustregel: Nie hinter einem ungesicherten Wurzelteller arbeiten.
Liegen mehrere Bäume übereinander, müssen die oberen zuerst aufgearbeitet werden. Der Stand auf anderen Stämmen zum Abstocken ist nicht sicher, besser sind Trennschnitte nach „nutzbaren Längen“ von 3, 4 oder 5 m.
Zudem regt Brodersen an, abgetrennte Bäume laufend an die Rückegasse oder die Waldstraße zu schleppen. Das schafft Platz und mindert Gefahren.

Die richtigen Schnitte

Einer der wichtigsten Bausteine beim Abstocken der unter Spannung liegenden Bäume ist für den Sicherheitsexperten eine umfangreiche Gefährdungsbeurteilung: „Beurteilen Sie zuerst die Spannungsverhältnisse des Baumes, bevor Sie die Motorsäge zum Schnitt ansetzen“, rät Brodersen. Außerdem sollte der Waldbauer die Reihenfolge „erst abstocken, dann aufarbeiten“ einhalten. Manchmal lässt sich die Spannung durch das Kappen der Baumkrone verringern.
Die größte Gefahr droht beim Abtrennen der Wurzelteller: Lässt der sich nicht mit einer Seilwinde sichern oder mit einem Greifer fixieren, muss der Abstocker ein ausreichend langes Sicherheitsstück am Wurzelteller belassen. Nach Unfallverhütungsvorschrift muss die Länge mindestens dem Tellerdurchmesser entsprechen. Brodersen gibt den Tipp: Nutzen Sie als Stützstück (Sicherheitsstück) eine nutzbare Länge. Der Waldbauer kann sie später abtrennen, sobald Greifer oder Seilwinde verfügbar sind – das senkt die Holzverluste.
Beim Schnitt selbst sind die Druck- und Zugverhältnisse sicher anzusprechen. Generell ist zuerst ein Schnitt in die Druck- und anschließend in die Zugseite nötig. Brodersen empfiehlt zusätzlich Schmälerungsschnitte und lange Sägeschwerter. Bei Bäumen mit Seitenspannung ist besondere Vorsicht und Sägefertigkeit geboten.

In kniffeligen Situationen ist Teamwork gefragt. In der Waldarbeiterrotte lassen sich Gefahren diskutieren und Unfälle vermeiden. (Foto: Schlotmann)

Vorhandene Technik nutzen

Brodersen setzt bei der Aufarbeitung auf technische Hilfsmittel. Nahezu jeder Waldbauer besitzt eine Anbauseilwinde – warum also nicht nutzen? Damit lassen sich beispielsweise aufgerichtete Wurzelteller zurückklappen und Spannungsverhältnisse bei geworfenen Bäumen manipulieren. Zudem kann der Waldbauer mit einer Seilwinde Flächenwürfe entzerren, wodurch sich wiederum sicherer arbeiten lässt.
Noch besser geeignet für den Maschineneinsatz und Vorrang vor der Arbeit mit der Motorsäge hat der Harvester. Mithilfe des Prozessors lassen sich die Gefährdungen für den Forstwirt auf ein Minimum reduzieren.
Der Vollernter kann die Stämme greifen und heben, zur Seite räumen und ggf. direkt aufarbeiten.
Einschränkungen sieht der Experte bei zu dicken Stämmen und sehr flach am Boden liegenden Bäumen – hier stößt das Aggregat an seine Grenzen. Häufig ist gleichzeitig ein Forstwirt nötig, der die Bäume abstockt. Das birgt besondere Gefahren: Beispielsweise können durch platzende Hydraulikschläuche,
unkontrollierte Bewegungen des Kranauslegers oder nachlassende Konzentration bzw. Verständigungsprobleme mit dem Forstmaschinenführer Unfälle entstehen.
Deshalb tritt der Forstwirt erst an den Stamm heran, wenn der Forstmaschinenführer ihn mit dem Prozessorkopf fest umgriffen hat. Der Sägebediener bestimmt außerdem den Arbeitsfortschritt. Ein Helmsprechfunk erleichtert die Verständigung.
Das gilt nicht nur für die Arbeit mit dem Harvester, sondern trägt auch zur leichteren Absprache in der Waldarbeiterrotte bei. Zum Teil wird der Sprechfunk finanziell im Rahmen der Unfallprävention von der SVLFG (Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau) gefördert.

Die Spannung im Baum richtig beurteilen: Arbeitssicherheitsexperte Dirk Brodersen gab Tipps für den Trennschnitt von Wurzelteller und Baum. (Foto: Schlotmann)

Unfällen vorbeugen

Unfallverhütung ist für Brodersen das A und O. Vor der Entscheidung, den Windwurf in Eigenregie aufzuarbeiten, sollte sich jeder Waldbauer selbst fragen: „Traue ich mir das zu?“ Denn trotz viel Erfahrung in der Holzernte stellt der Windwurf besondere Anforderungen an die Fachkenntnis und Konzentration des Forstwirtes, verdeutlicht Brodersen. Das Tragen der persönlichen Schutzausrüstung und das Verbot der Alleinarbeit setzt Brodersen als Standard voraus. Optimal bewertet er die Arbeit in der Dreimanngruppe. Seiner Erfahrung nach senkt das bei einem Unfall die Rettungszeit auf rund 30 Minuten. Darüber hinaus lassen sich in der Kleingruppe knifflige Situationen besprechen und gemeinsam bewerten. Der Förster mahnt dazu, nur fachkundiges Personal einzusetzen und im Zeitlohn ohne Leistungsdruck zu entlohnen. Um die Arbeit grundsätzlich leichter und sicherer zu gestalten, empfiehlt der Experte den Einsatz von Maschinentechnik.

Gewusst wie

Die SVLFG hat eine Broschüre mit den wichtigsten Infos für die Windwurfaufarbeitung erstellt.

https://cdn.svlfg.de/fiona8-blobs/public/svlfgonpremiseproduction/6263c4dddd994e11/c8e0ca4a481f/broschuere-pocket-handlungshilfe-windwurf-mit-motorsaege.pdf

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