Noch haben Heinz Schulte-Schnitker und Christian Schlösser nur einen Plan in der Hand. Die Windenergieanlage ist in das Foto montiert. Bald wollen die beiden auf der Kalamitätsfläche hinter ihnen zusammen mit anderen Waldbauern aber eine echte Anlage bauen. Den Wald wollen sie wieder aufforsten. Fotos: BBWind, B. Lütke Hockenbeck

Windenergie im Wald?

Um die Klimaziele zu erreichen, braucht es einen deutlichen Zubau an Windenergieanlagen. Doch wo sollen sie hin? Etwa auch in den Wald?

Für Christian Schlösser und Heinz Schulte-Schnitker ist die Sache klar: Die beiden Waldbauern aus der Gemeinde Möhnesee im Kreis Soest möchten gemeinsam mit Peter Thiele, Gerd Lüsse, Norbert Schulte-Schnitker und Daniel Kettler als Vertreter der Heinz-Kettler-Stiftung fünf knapp 250 m hohe Windenergieanlagen (WEA) bauen. Mitten im Wald. Auf Flächen, auf denen nach den Trockenjahren 2018 bis 2020 kaum ein Baum stehen geblieben ist. Als neues Standbein. Um die hier entstandenen Verluste auszugleichen. Aber auch um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und den Wald, von und mit dem ihre Familien teilweise seit Generationen leben, wieder aufzubauen.

Wald ist sehr wertvoll

Allein sind die Waldbauern aus Möhnesee mit ihren Überlegungen nicht. Denn während in den vergangenen Jahren nur wenige WEA im Wald gebaut wurden, stieg das Interesse an diesen Anlagen in den vergangenen Monaten – vonseiten der Waldbauern, aber auch vonseiten mancher Kommune, die auf eigenen Waldflächen Energie erzeugen möchten. Bisher stehen in NRW von den insgesamt über 3500 WEA nur 103 im Wald. In Planung befinden sich zurzeit aber rund 300 Wald-Anlagen.

Doch längst nicht bei jedem stößt der Bau einer Windenergieanlage im Wald auf Gegenliebe. Während im Wald die Abstände zum nächsten Wohnhaus in der Regel nicht das Problem sind, gibt es viele Einwände, die mit Natur- und Artenschutzgründen oder der Angst um das ungestörte Landschaftsbild begründet sind. Diese sind oft noch größer als bei Projekten auf der freien Fläche. Und das sicher nicht ohne Grund. Denn Wälder haben eine große Bedeutung für die Artenvielfalt, das Klima, den Boden, den Wasserhaushalt und unsere Trinkwasserversorgung, als Schutz gegen Lärm und Erosion. Viele Menschen verbinden Positives mit dem Wald als Ort der Erholung, für Freizeit und Urlaub. Da liegt der Gedanke nahe, dass die riesigen Windenergieanlagen stören oder gar schädlich sind.

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Manchmal steht auch Unsicherheit oder ein ungutes Bauchgefühl hinter der Ablehnung. So sagt ­eine Wanderin aus Möhnesee im Gespräch mit dem Wochenblatt: „Der Wald bedeutet ökologisch so viel. Gerade auf den Schadflächen muss er sich doch jetzt erst mal ­erholen. Ich befürchte, dass das nicht möglich ist, wenn Windräder gebaut werden. Wir müssen doch vorsichtig sein, um nicht noch mehr kaputt zu machen.“ Ihr sei es deshalb wohler damit, wenn erst mal keine Anlagen im Wald gebaut würden. Das Repowering, also der Ersatz alter durch moderne Anlagen, auf bestehenden Standorten oder der Bau von Offshore-Anlagen, also Anlagen im Meer, wäre ihre erste Wahl. „Aber im Grunde fehlt mir das Wissen, um entscheiden zu können, wie viele Anlagen wir benötigen und wo sie am besten stehen, ob die Chancen oder Risiken überwiegen, was also wirklich richtig ist“, schließt sie.

Energie und Aufforstung

Knapp 80 ha Wald, überwiegend Fichtenbestände, haben die fünf Waldbesitzer vom Möhnesee in den vergangenen Jahren an den Borkenkäfer verloren. Den Großteil dieser Flächen möchten sie nun mit Mischwald wieder aufforsten. „Insgesamt 4 bis höchstens 5 ha Fläche benötigen wir für den Bau der Anlagen insgesamt. Da ist alles drin. Der eigentliche Standort, die Kranstellfläche und die Zuwegungen“, sagt Schlösser. Auf dem Rest, auch unterhalb der Flügel, deren Spitzen gut 80 m Abstand zum Boden halten, kann dann wieder Wald wachsen.

Insgesamt sollen die fünf Anlagen rund 80 Mio. kWh Strom jährlich erzeugen. Das ist doppelt so viel, wie die Gemeinde Möhnesee benötigt und mehr als sechsmal so viel, wie das Wasserkraftwerk an der Möhnetalsperre erzeugt.

Neben der Gewerbesteuer könnte die Gemeinde Möhnesee von einer im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegten Abgabe von 0,2 Cent/kWh des erzeugten Stroms profitieren. Das wären 150.000 bis 160.000 € pro Jahr.

Bürger der Gemeinde Möhnesee sollen zudem einen vergünstigten Stromtarif erhalten, geplant sind mindestens 2 Cent/kWh unter dem Preis des örtlichen Versorgers. Zudem sollen sie Geld in Form von Mezzanine-Kapital in die Anlagen investieren können.

Woher kommt unser Strom?

Doch ist das alles Grund genug, Anlagen in den Wald zu stellen? „Windenergie im Wald ist immer ein Streitthema“, sagt Berthold Hahn. Der gelernte Maschinenbauingenieur koordiniert heute die Forschungsaufgaben im Bereich Windenergie des Fraunhofer Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) in Kassel. Er erklärt weiter: „Für Windenergie-Gegner wird der Wald durch die Anlagen insgesamt entwertet.“

Die eigentliche große Frage sei jedoch: Woher kriegen wir unseren Strom? „Um die Klimaziele zu erreichen, benötigen wir in Deutschland, wie es die Bundesregierung vorsieht, auf mindestens 2 % der deutschen Landesfläche Windenergieanlagen. Das heißt dann im Endeffekt: Außer in den Städten wird man dann, egal, wo man sich in Deutschland aufhält, Anlagen sehen können.“ Und es bedeutet auch, dass es gar nicht möglich ist, beim Bau von WEA auf die waldreichen Gebiete Deutschlands, wie in Teilen Bayerns oder Thüringens, aber eben auch in der Eifel, im Sieger- oder Sauerland zu verzichten. Die anderen Flächen reichen schlichtweg nicht aus. Und noch eins gibt der Wissenschaftler zu bedenken: „Im Endeffekt ist die Vielzahl der Windenergie­anlagen, die wir bauen müssen, ein Zeichen dafür, wie wir mit der Energie umgehen. Hier wäre weniger viel mehr.“

Ob die fünf Waldbauern ihr Vorhaben wie geplant durchführen können, ist im Moment noch offen. Voraussichtlich im Juni, wenn alle Voruntersuchungen abgeschlossen sind, werden sie den Bauantrag einreichen. Wie die Gemeinde Möhnesee zu dem Bauvorhaben steht, dazu wollte sich Bürgermeisterin Maria Moritz noch nicht öffentlich äußern.

Autor: Katja Stückemann

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