Bislang gibt es nur wenige Weißtannenbestände in unseren Wäldern. Der Klimawandel und seine Folgen könnten allerdings dafür sorgen, dass diese Baumart die Fichte verdrängt und ihre Stellung als Brotbaum einnimmt. Foto: blickwinkel/R.Koenig

Wiederbewalden mit Weißtanne?

Künftig wird das Wetter wärmer und von längeren Trockenperioden geprägt sein – prognostizieren Experten. Das macht die Fichte vielerorts zum Verlierer. Darum rückt die Weißtanne in den Fokus der Förster.

Die Weißtanne erträgt viel Schatten, kommt gut mit längeren Trockenperioden zurecht und hat eine enorme Wuchsleistung. Darum befinden Forstexperten die Baumart als optimalen Ersatz für die Fichte im klimastabilen Mischwald. Wie Waldbauern die Tanne erfolgreich begründen, hat uns Norbert Tennhoff vom Zentrum für Wald und Holzwirtschaft, Wald und Holz NRW, gezeigt. Der Förster untersucht seit einigen Jahren das Wachstum der Weißtanne.

Norbert Tennhoff – Mitarbeiter bei Wald und Holz NRW (Foto: Kevin Schlotmann)

Frage: Herr Tennhoff, Sie sprechen der Weißtanne ein hohes Potenzial zu. Was macht die Weißtanne Ihrer Meinung nach so besonders?
Tennhoff: Die Weißtanne ist eine heimische Baumart, die den Klimaveränderungen trotzen kann. Ihre Wuchsleistung ist auf optimalen Standorten bis zu dreimal höher als die der Fichte. Das Holz der Weißtanne lässt sich ähnlich dem der Fichte gut verarbeiten und hat ebenfalls gute technische Eigenschaften. Außerdem hat Tannenholz keine Harzgänge und Harz­gallen. Die Baumart ist ideal für Mischwälder und verbessert nachweislich das Bodengefüge und die Humusform. Überdies finden sich an Tannen zahlreiche Tierarten, wie zum Beispiel der Tannenhäher.

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Frage: Für welche Standorte ist die Weißtanne geeignet?
Tennhoff: Die Weißtanne bevorzugt frische bis grundfeuchte Böden und ist besonders auf gut durchlüfteten, mäßig sauren bis alkalischen Böden sehr zuwachsstark. Das gilt auch für die Fichte. Allerdings hat die Weißtanne mit ihrer Pfahl­wurzel die Möglichkeit, tiefere Bodenschichten zu erschließen. Zudem ist sie gerade auf verdichteten Standorten oder auf Böden mit schlechter Wasserdurch­lässigkeit im Vorteil. Darum sind bei der Pflanzung Pseudogleye oder Braunerde-Gleye zu bevor­zugen. Auf diesen Böden ist die Fichte stark durch Windwurf gefährdet.

Frage: Wie verhält sich die Weißtanne unter Konkurrenzdruck?
Tennhoff: Die Nadelbaumart erträgt Überschirmung durch zum Beispiel Buchen, Eichen oder auch anderes Nadelholz sehr gut. Kritisch sind zähe Vergrasung durch Reitgras oder Drahtschmiele. Außerdem Brombeerbewuchs oder Adlerfarn, denn die krautigen Pflanzen sind konkurrenzstärker in Bezug auf Wasser, Licht und Nährstoffe.

Frage: Scheidet die Weißtanne deshalb für die Anpflanzung auf einer Kahlfläche aus?
Tennhoff: Grundsätzlich ist die Bestandesbegründung auf einer Kahlfläche größeren Risiken ausgesetzt. Hierzu zählen vor allem die Vergrasung (damit verbunden eine erhöhte Gefahr von Mäuseschäden), Sonnenbrand, erhöhtes Spätfrostrisiko und Wind, der zum schnelleren Austrocknen des Bodens führt. Daher ist eine Pflanzung unter Schirm bzw. ein Vorwald auf einer Windwurffläche erfolgversprechender. Da der Kauf von Pflanzmaterial oder Saatgut eine gegebenenfalls teure Investition ist, sollte der Waldbauer sein Geld nicht unüberlegt in den Boden stecken.

Frage: In welche Bestände sollten Waldbauern die Weißtanne einbringen und wie sollten sie vorgehen?
Tennhoff: Wie bereits erwähnt, sehe ich die Weißtanne vor allem da, wo die Fichte instabil ist oder aufgrund von Trockenstress an ihre Grenzen stößt. Deshalb raten wir Waldbesitzern, die Weißtanne bevorzugt in Fichtenbestände mit einem Alter zwischen 50 und 60 Jahren einzubringen. Für eine verbesserte Bodengare sollte der Bestand möglichst zwei bis drei Jahre vor der Pflanzung durchforstet worden sein. Allerdings muss der Waldbauer darauf achten, den Bestockungsgrad nicht unter 0,7 zu senken. Wird der Bestand zu stark aufgelichtet, begünstigt es das Keimen und den Wuchs der Fichtenverjüngung. Sie stellt wiederum eine unnötige und unerwünschte Konkurrenz für die Weißtanne dar. Die Weißtanne ist ein besonderer Leckerbissen für das wiederkäuende Schalenwild, insbesondere Reh- und Rotwild. Darum ist mindestens ein Einzelschutz nötig. Bei einer Saat empfehlen wir unbedingt einen Zaun als festes Gatter.

Frage: Saat oder Pflanzung, mit Ballen oder wurzelnacktes Pflanzmaterial – was empfehlen Sie?
Tennhoff: Das ist abhängig von verschiedenen Faktoren und pauschal nicht zu beantworten. Grundsätzlich haben alle Verfahren Vor- und Nachteile. Wir haben sowohl mit der Saat als auch mit der Pflanzung von Weißtannen aus der Containeranzucht gute Ergebnisse erzielt. Aufgrund der natürlichen Wurzelentwicklung und der Einfachheit des Verfahrens empfehlen wir die plätzeweise Saat, besonders auf empfindlichen zur Verdichtung neigenden Böden.

Frage: Worin besteht für Sie der entscheidende Vorteil des Verfahrens?
Tennhoff: Nicht jeder Waldbesitzer führt regelmäßig Pflanzarbeiten aus, sodass bei Ungeübten die Gefahr von Wurzeldeformationen oder -beschädigungen während der Pflanzung besteht. Die Saat hingegen ist leicht zu erlernen. Außerdem erfordert sie nicht den Kauf eines speziellen Werkzeugs und es gibt keinen Pflanzschock. Zusätzlich können erfahrene Waldbauern bei einem zahlreichen Auflaufen der Saat einige Jahre später Wildlinge werben und umpflanzen. Insgesamt können Kosten eingespart werden. Zudem ist das Verfahren in höchstem Maße boden- und bestandespfleglich.

Schon 6 kg/ha Saatgut genügen, um in einem Mischwald einen Weißtannenanteil von 30 % zu erreichen. (Foto: Norbert Tennhoff)

Frage: Beschreiben Sie bitte das Arbeitsverfahren.
Tennhoff: Um im künftigen Bestand einen Tannenanteil von 30 % zu erhalten, werden ungefähr 6 kg/ha reines Weißtannensaatgut ausgesät. Je höher das Keimprozent und die Keimkraft ist, desto weniger Saatgut ist nötig. Ziel sollte die Herstellung von drei 0,1 ha großen Horsten/ha mit jeweils 100 Saatplätzen im Verband von 2 x 2 m sein. Das ist allerdings nur ein Richtwert. Die Anzahl der Saatplätze oder der Verband ist variabel und ist vom Waldbesitzer zudem an den realen Waldbestand anzupassen. Der Abstand zu überschirmenden Bäumen sollte mindestens 2 m betragen – das ist wichtig für die spätere Ernte des Schirmes. Bei der Saat selbst zieht der Waldbauer mit der Platthacke oder Wiedehopfhaue auf etwa 40 x 60 cm großen Plätzen die Humusschicht ab und lockert den Boden anschließend etwas auf. Da­rauffolgend wird das Weißtannensamen-Sand-Gemisch ausgebracht und das Saatgut etwa 1 cm dick mit dem Mineralboden abgedeckt. Die Saatgutportion je Platz beträgt zwischen 20 bis 40 g (je nach Keim­fähigkeit des Saatgutes). Leichtes Festtreten verhindert, dass der Boden verweht. Die Saat kann im Herbst oder im Frühjahr erfolgen.

Frage: Sie sprechen von einem Saatgut-Sand-Gemisch – wozu ist das gut? Kann ich die Samen nicht direkt in den Boden säen?
Tennhoff: Das ist sicherlich möglich. Aber das Gemisch aus Saatgut und Mauersand im Verhältnis 1 : 4 erleichtert ein genaueres Ausbringen der Saatkörner, da der Sand ein Verkleben der Saat verhindert. Bei der Verwendung von feuchtem Sand bleiben die Samen überdies länger frisch.

Abbildung 1: Für die Plätze­saat sind drei Horste/ha sinnvoll.
Abbildung 2: Je Horst werden bis zu 100 Saatplätze angelegt.

Jeder 0,1 ha große Horst besteht aus 100 Saatplätzen. Diese sind wiederum etwa 40 x 60 cm groß. Die Saatgutmenge liegt bei etwa 20 g je Saatplatz (je nach Keimfähigkeit bis zu 40 g). Das Saatgut kostet 110 €/kg, also 220 €/Horst. Hinzu kommen je Horst etwa 8 kg Mauersand im Wert von ungefähr 0,30 € und Gerätekosten in Höhe von 1,50 €. Gemischt mit Mauersand im Verhältnis 1 : 4 lassen sich die Samen genauer ausbringen, außerdem wird so verhindert, dass die Samen miteinander verkleben. In einer Stunde können zwischen 20 bis 30 Saatplätze angelegt werden. Bei der Aussaat beträgt die Leistung rund 60 Saatplätze.

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