Die Edelkastanie ist im mediterranen Raum heimisch, wächst aber auch in den Wäldern hierzulande zuwachsstark. Aufgrund der breiten Standorteignung sehen Experten die Baumart darum als Gewinner des Klimawandels. Foto: Schlotmann

Waldbau mit der „Keschde“

Wärmeliebend und trockenheitsverträglich sind Begriffe, mit denen die Esskastanie oft beschrieben wird. Wir haben uns im Forstamt Annweiler in der Pfalz angeschaut, was die „Keschde“ tatsächlich auszeichnet.

Der Klimawandel bringt so manche heimische Baumart an seine Grenzen. Förster und Waldbesitzer blicken deshalb auf Baumarten, die vor allem in wärmeren Regionen beheimatet sind. Das gilt auch für die aus dem Mittelmeerraum stammende Ess- bzw. Edelkastanie. Vor mehr als 2000 Jahren in Deutschland eingeführt, prägt sie heute die Landschaft am Oberrhein und stockt dort auf rund 10.000 ha. Etwa ein Viertel der Anbaufläche befindet sich im Pfälzer Wald, wo wir uns gemeinsam mit Waldbauern aus dem Kreis Olpe die Baumart genauer angeschaut haben.

Kurz gefasst
– Die Esskastanie gilt als klimastabile Baumart. Grund ist ihre hohe Wärmetoleranz.
– Größere Bestände der Baumart aus dem Mittelmeerraum gibt es im Pfälzer Wald.
– Waldbaulich ist die Esskastanie anspruchsvoll, produziert aber ein wertvolles Holz.

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Dauerhaftes Holz

Das Forstamt Annweiler im Landkreis Südliche Weinstraße ist für seine Esskastanienbestände bekannt. Mehr als 700 ha Rein- und Mischbestände gibt es dort. In der Region ist die Baumart – vor allem wegen ihrer Früchte – aber besser bekannt als Keschde, erklärt Forstamtsleiter Gregor Seitz.

Gregor Seitz leitet das Forstamt Annweiler und kennt die etwa 700 ha „Keschden“-Wald bestens. Foto: Schlotmann

Eben diese Früchte waren der Grund für die Römer, die Baumart auch in ihren nördlichen Provinzen anzupflanzen. Denn die Maronen, die Esskastanienfrüchte, haben einen hohen Nährgehalt. Doch auch das witterungsbeständige Esskastanienholz wurde von den Römern geschätzt und für Rebpfähle sowie Bauholz verwendet.

Die Esskastanie wurde bis in die Nachkriegsjahre vor allem niederwaldartig bewirtschaftet: Im Turnus von 15 bis 20 Jahren wurden die Stämmchen geerntet und somit „auf den Stock gesetzt“. Das gute Stockausschlagsvermögen lässt sich in vielen Beständen des Pfälzer Waldes beobachten. Es ist so dominant, dass beispielsweise Douglasien gegen die Stockausschläge chancenlos waren. Die meisten der vormaligen Niederwälder im Forstamt Annweiler sind inzwischen aber in andere Nutzungsformen überführt worden. Wegen seiner Dauerhaftigkeit ist Wertholz das vorrangige Produktionsziel der Förster. Mit bis zu 35 m Höhe und 2 m Brusthöhendurchmesser wächst die Esskastanie auch in Deutschland zu mittelgroßen Bäumen heran.

Im Pfälzer Wald machen sich die Förster seit vielen Jahrzehnten das starke Stockausschlagsvermögen der Edelkastanie zunutze. Foto: Schlotmann

Zuwachsstarke Baumart

Der Zuwachs der Baumart ist besonders in der Jugendphase hoch: jährlich 10 bis 14 Vorratsfestmeter (Vfm) je Hektar. Unter optimalen Standortbedingungen sind bis zu 22 Vfm/ha/a möglich. Dafür sind frische, lockere, tiefgründige Böden mit einem pH-Wert von 4,5 bis 6,5 nötig.

Im Forstamt Annweiler unterscheidet Gregor Seitz nach den Pflegekonzepten für Wertholz, schwächerem Stammholz, Palisaden und Energieholz. Die Pro­duktionszeit beträgt je nach Ziel mindestens 20 bzw. 60 Jahre. Als Zieldurchmesser gibt der Forstwissenschaftler 20 bis mehr als 55 cm Mittendurchmesser an. Je nach Stärkeklasse lassen sich für Esskastanienstammholz 100 bis 130 €/fm erzielen. Für besonders starke und hochwertige Stämme auch mehr als 400 €/fm. Industrieholz verkaufen die Förster in der Pfalz für durchschnittlich 60 bis 80 €/fm. Eine Besonderheit ist Holz für den Lawinenverbau: Hier sind gerade Palisadenhölzer mit bis zu 15 cm Durchmesser gesucht. Der Preis beträgt bis zu 90 €/fm.

Gerade Stämme mit bis zu 20 cm Durchmesser sind stark nachgefragt. Als „Lawinenholz“ kostet das Sortiment bis zu 90 €/fm. Foto: Schlotmann

Risiko: Ringschäle

Dabei handelt es sich um einen Holzfehler, der durch unterschiedliche innere Spannungen auftritt. Entlang der Jahrringe lösen sich die Holzzellen voneinander ab und bilden verschieden tiefe und lange Risse.

Wachstumsschwankungen führen zu Ringschäle – ein Holzfehler, der sich durch eine kontinuierliche Pflege vermeiden lässt. Foto: Schlotmann

Vor allem in der so­genannten Qualifizierungsphase sind Dichtstand und Seitendruck daher sehr wichtig. Beides fördert zudem die natürliche Astreinigung der Esskastanie. Das gilt für Stockausschläge wie Pflanzgut gleichermaßen. Hinsichtlich der Astreinigung können dennoch Wert- oder Grünästungen nötig sein.

Esskastanien reagieren sensibel auf Durchforstungen, weshalb Fachwissen erforderlich ist: Zu intensive Eingriffe führen zu Wasserreiserbildung, ein erneuter Dichtstand zu Jahrringsprüngen und Ringschäle – beides sind qualitätsmindernde Fehler, die sich waldbaulich durch regelmäßige Pflegeeingriffe mindern lassen.

Fazit: Insgesamt ist die Esskastanie eine lohnende Mischbaumart, beispielsweise zusammen mit Buche, Eiche oder Douglasie. Der Pflegeaufwand ist allerdings hoch und Fachkenntnis nötig. Und auch unter Gesundheitsaspekten ist die Esskastanienwirtschaft nicht risikolos. Vor allem die sogenannte Tintenkrankheit und der Esskas­tanien-Rindenkrebs sind Pilz­erkrankungen, die zum Absterben der Laubbäume führen können. Daher gilt auch für die Esskastanie: Sie ist kein Wunderbaum.

Waldentwicklungsziel: Esskastanien-Mischwald

Waldbauern, die Esskastanien-Mischwälder aufforsten möchten, sollten den Pflegeaufwand nicht unterschätzen. Häufig ist Stammholz mit einer B/C-Qualität das Produktionsziel beim Esskastanienanbau – also starke, gerade Bäume, im unteren Bereich astfrei mit gut entwickelten Kronen. Als Mischbaumarten eigenen sich Buche, Eiche und Winterlinde sowie Douglasie und Weißtanne – am besten trupp- oder gruppenweise eingemischt.

  • Nach Pflanzung und ggf. erster Kulturpflege bzw. Begleitwuchsregulierung steht die frühe Qualifizierung an. Etwa ab einer Oberhöhe von 2 bis 3 m. Dabei sollten vor allem Pflegepfade angelegt und Mischbaumarten gefördert werden. Zum Beispiel durch Knicken oder Ringeln von Pionierbaumarten. Ansonsten gilt es den Dichtstand zu ­erhalten.
  • Ab einer Oberhöhe von 8 m folgt die sogenannte Mischwuchsregulierung. In stammzahlreichen und homogenen Jungwäldern werden mögliche Zielbäume erstmals etwas begünstigt und Bedränger zum Beispiel durch Ringeln geschwächt. Jetzt ist auch der Zeitpunkt für Grün- und Wertästungen, sofern nötig.
  • Die erste Dimensionierung erfolgt ab einer Oberhöhe von 12 bis 14 m. Zukunftsbäume sollten jetzt ausgewählt, markiert und dauerhaft gepflegt werden. Falls noch nicht geschehen, ist jetzt eine Wertästung angebracht. Bedränger werden in dieser Pflegephase erstmals gefällt. Die Eingriffsstärke beträgt durchschnittlich 60 Erntefestmeter/ha. Die Durchforstung wird alle drei bis fünf Jahre wiederholt.
  • In der zweiten Dimensionierungsphase ab einer Oberhöhe von 20 m folgen zusätzliche Eingriffe zur Kronenpflege und -förderung. Die Pflege-Durchforstungen erfolgen bis zur Reifephase bzw. zum Generationenwechsel ab dem Bestandesalter 50 bis 60 Jahre.

    Ab diesem Zeitpunkt werden die Vorratspflege intensiviert und erste Verjüngungslücken geschaffen. In der Folgezeit erfolgt die einzelstamm- oder blockweise Nutzung der Bäume.

Wir haben weitere Informationen über die Esskastanie von den Landesforsten Rheinland-Pfalz und der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft für Sie zusammengestellt.

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