In einem Revier nahe Hagen/Westfalen wurde erforscht, wie die Jagdstrategie auf Rehwild verändert werden muss, damit die Wiederbewaldung gelingt. Foto: Heute
Forschungsprojekt

Umdenken bei der Rehjagd?

Wie wirken sich veränderte Bejagungsstrategien auf das Rehwild aus? Ein Forschungsprojekt liefert Antworten.

Rehwild ist weit verbreitet und beeinflusst durch seinen Verbiss unmittelbar die Waldverjüngung. Die Jagd auf Rehe hat daher eine Schlüsselrolle bei der Wiederbewaldung sowie bei der Entwicklung naturnaher und strukturreicher Wälder. Inwiefern veränderte Jagdstrategien auf Rehe zu einer Verbesserung der Wildschaden­situation und damit zu einer verbesserten Waldverjüngung beitragen können, zeigen die Ergebnisse eines Forschungsprojekts.

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Best-Practice-Reviere

Das „Rehwildprojekt“ basierte auf zwei Säulen: Zum einen wurden zehn „Best Practice“-Reviere in NRW ­ermittelt, in denen die Waldwildschäden so gering waren, dass eine artenreiche Waldverjüngung stattfindet („Netzwerk Vorbildliche Rehwildreviere“, siehe Kasten unten). Zudem wurde in einer Eigenjagd des Regionalverbandes Ruhr (RVR)Ruhr Grün in Hagen/Westfalen ein 80 ha großes Forschungsrevier eingerichtet. Dort wurde der Jagdbetrieb am 1. April 2017 von der Jagdpacht in die Eigenregie überführt. Ein Team aus lokalen Jägern setzte dort ein zielgerichtetes Jagdkonzept um. Es umfasste folgende Eckpunkte:

  • Intensivierung der Jagd (mehr Jäger auf der Fläche, mehr Gemeinschafts- als Einzelansitze),
  • Aufbau und Unterhalt eines dichten Netzes aus Kombisitzen,
  • Anlage von Bejagungsschneisen (wo keine Hauptbaumarten entnommen werden müssen),
  • Etablierung von Bewegungsjagden auf Rehwild.

Das Jagdkonzept im Detail

  • Mindestabschussvorgaben werden möglichst frühzeitig erfüllt.
  • Darüber hinaus wird so viel Rehwild erlegt, wie es der Rahmen der Möglichkeiten zulässt.
  • Verzicht auf Trophäen orientierte Selektionskriterien.
  • Der Muttertierschutz ist strikt zu beachten. Das bedeutet, dass im September und Oktober zwingend darauf geachtet werden muss, vor der Erlegung einer Ricke die zugehörigen Kitze zu erlegen.
  • Die Jagdzeiten sind voll auszuschöpfen, wobei die Schwerpunkte in den Monaten mit der höchsten Aktivität der Rehe bzw. der besten Bejagbarkeit liegen.

Laut Streckenmeldungen betrug der Rehwildabschuss in den sieben Jahren vor Projektbeginn 24 Rehe pro Jahr (8,6 Rehe/100 ha). Die Jagdstrecke wurde im ersten Projekt­jahr auf 42 Rehe (15 Rehe/100 ha) erhöht und in den Folgejahren auf bis zu 64 Rehe (23 Rehe/100 ha) im Jagdjahr 2021/22.

Der erhöhte Eingriff in den Rehwildbestand senkte den Verbiss junger Bäume von 41 % (2017) auf 11 % (2021) . Außerdem konnten sich zum Ende des Projektes doppelt so viele, teils seltene Baumartern durchsetzen als zu Projektbeginn.

Handlungsempfehlungen

Aus den Erfahrungen der Netzwerkreviere und des Forschungsrevieres wurden Handlungsempfehlungen und Hinweise für den Jagdbetrieb in Waldrevieren abgeleitet. Dazu zählen:

  • Der Wald benötigt einen „brauchbaren“ Jäger pro etwa 50 bis 75 ha Wald.
  • Der Einsatz von Jagdteams hat sich bewährt. Harmonische Teams, die besonders erfolgreich sind, bestehen häufig aus einem erfahrenen (Wald-)Jagdleiter und engagierten, örtlichen Jägern.
  • Flache Hierarchien fördern den Teamgeist und den Erfolg.
  • Die Freigabe ist so großzügig wie möglich zu gewähren. Dabei ist der Muttertierschutz strikt zu beachten.
  • In strukturreichen Waldrevieren ist das Netz an Ansitzeinrichtungen das Rückgrat des Jagdbetriebs: Pro etwa 5 ha Wald sollte ein geeigneter Hochsitz stehen.
  • Geeignete Hochsitze sind Kombisitze, die für den Ansitz und zur Drückjagd geeignet sind.
  • Der Einsatz von Wärmebildgeräten zum frühzeitigen Detektieren des Wildes ist hilfreich.
  • Es sollte angestrebt werden, im Jahresverlauf mindestens einen Ansitz pro Hektar Revierfläche zu leisten. Gemeinschaftsansitze im (April) Mai und September müssen einen erheblichen Teil der Jahresstrecke bringen.
  • Bewegungsjagden auf Rehwild müssen etabliert und professionell durchgeführt werden (etwa 20 versierte Schützen pro 100 ha), mehrere Durchgehergruppen mit ausreichend vielen, geeigneten Hunden. In den ersten Jahren müssen in der Regel mindestens zwei Drückjagden durchgeführt werden.

Netzwerk-Reviere
In allen Revieren des „Netzwerks Vorbildliche Rehwildreviere“, also Revieren mit „funktionierender“ Walderneuerung, wurde die Jagdstrategie verändert. In fast allen Revieren wurden hierzu Jagdpachten aufgelöst bzw. diese nicht weiter verlängert. Bei den wenigen Positivbeispielen von Pachtrevieren sind die Pächter dieser Reviere durch die Eigen­tümer in der Regel vertraglich verpflichtet, Mindestabschüsse zu tätigen, den körperlichen Nachweis zu erbringen, gemeinsame Revier­begänge zu tätigen und die Bejagung durch den Eigentümer zu akzeptieren, wenn absehbar ist, dass der Pächter die Zielvor­gaben deutlich verfehlt.

Durchgeführt wurde das Projekt von der Artemis Heute & Elmer GbR. Dahinter verbergen sich die beiden Landschaftsökologen Frank Christian Heute und Jens Elmer. Den Abschlussbericht des vom 28. April 2017 bis 31. Januar 2022 durch­geführten Projektes stellen wir zusammengefasst vor.

Britta Petercord

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