Forstwirt und Maschinenführer Andreas Haag steuert den Bagger mit dem angebauten Scheibenräumgerät – dem Säaggregat. Foto: Hesebeck

Säen mit starkem Arm

Die Saat von Laub- und Nadelbäumen erlebt bei den Wieder­­aufforstungen eine Renaissance. Dabei unterstützen auch Kettenbagger. Wie genau, haben wir uns angesehen.

Manche Verfahren gewinnen im Zuge der Klimakrise in der Forstwirtschaft wieder an Bedeutung. Vor allem in der Neubegründung von Waldbeständen lässt sich aus einer Vielzahl von Optionen wählen, die an Ort und Stelle nicht selten die Weichen für mehrere Hundert Jahre Waldbau stellen. Die Niedersächsischen Landesforsten (NLF) setzen im Zuge des Klimawandels wieder vermehrt auf die Saat, um Waldbestände zu begründen – häufig kommt dabei der Bagger zum Einsatz.

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Kurz gefasst

  • Die Saat ist ein lohnendes Verfahren für die Aufforstung. Neben manuellen gibt es auch maschinelle Saatverfahren.
  • Die Niedersächsischen Landesforsten setzen dabei unter anderem auf die Kombination von Bagger und Scheibenräumgerät.
  • Bei einer Leistung von bis zu 2 ha/Tag betragen die Kosten rund 3500 €/ha.

100 ha Tannen-Mischwald

Gesät wird nicht nur im von Trockenheit und Borkenkäfer geplagten Harz, sondern auch im Nordwesten. Auf der „Nordtour“ wurden in dieser zurückliegenden Pflanzsaison rund 100 ha durch Saat begründet, vor allem mit Weißtanne. Ein großer Teil dieser Flächen befindet sich im Bereich des Forstamtes Nienburg, das nicht nur mit dem sogenannten Erdmann-Wald bei Sulingen einen schon heute bunt gemischten Wald vorzeigen kann.

Oberförster Friedrich August Christian Erdmann startete Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Umbau der kargen Kiefernbestände und setzte schon damals auf die Saat. Was vor gut 200 Jahren vorrangig Handarbeit war, kehrt nun in neuem Gewand in den Wald zurück. „Für die Saat setzen wir ­einen 14-t-Bagger ein, der statt ­einer Schaufel über ein entsprechendes Anbaugerät verfügt“, erklärt Henning Schmidtke, Referatsleiter im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium.

Zum Einsatz kommt das Scheibenräumgerät von einem Unternehmer aus Sachsen. Dieses wird vom Bagger für die Saat durch den Waldboden gezogen. Es besteht aus einem grün lackierten Stahlrahmen, an dem zwei Pflugscheiben montiert sind. An der Front befinden sich zwei stählerne Trichter für das Saatgut, auf denen jeweils ein weißer Plastikbunker sitzt. In den kleinen weißen Kanistern wird das Saatgut mitgeführt, über einen Schraubverschluss werden die Bunker befüllt. „So können wir auch zwei verschiedene Baum­arten in einem Durchgang säen“, erläutert Maschineneinsatzleiter Jendrik Niebel, Leiter des Maschinenstützpunkts Nienburg.

Von der Rückegasse aus

Für die Saat mit dem Bagger ist kein flächiges Befahren der Bestände erforderlich. Das Kettenfahrzeug bewegt sich nur auf den vorhanden Rückegassen im üblichen 20-m-Abstand. Mit einer Auslage von etwa 8,5 m kann der Bagger 5 m lange Streifen für das Saatgut ziehen, etwa 10 m bleiben in der Mitte unbearbeitet.

Abgesetzt in maximaler Kranreichweite, zieht der Baggerfahrer das Sägerät wieder an die Gasse heran. Dabei wird der Humus beiseitegeräumt und der Mineralboden freigelegt. So kommen die Pflugscheiben in Bewegung, die wiederum kleine Rädchen und damit Bürsten in Gang setzen. Sie sorgen für den Austritt des Saatgutes. „Über diese Bürsten lässt sich auch die Saatgutmenge einstellen“, sagt Jendrik Niebel. Mit einem Teleskoparm soll die Reichweite künftig noch mal um 2 m gesteigert werden.

Die Pflanzstreifen sind nur
wenige Zentimeter tief. Allein die Humusschicht wird geräumt. Foto: Hesebeck

Fahrer mit Fachkenntnis

Für das Saatverfahren werden vor allem Forstwirte wie Andreas Haag als Fahrer eingesetzt. Sie bringen ein gewisses waldbauliches Auge mit. „Im Staatsforst Erdmannshausen haben wir 2021 so 30 ha gesät und Waldbau nach Augenmaß betrieben“, sagt Schmidtke.

Pro Hektar werden dabei zwischen Oktober und Ende März 10 kg Saatgut ausgebracht. Geerntet wurde es in den Saatgutbeständen des Forstamtes Nienburg. Pro laufendem Meter finden sich später 30 bis 50 Samen im Pflugstreifen wieder. Der Pflugstreifen ähnelt im Querschnitt einem doppelten U-Profil. Je nach Bestandesverhältnissen beträgt der Reihenabstand 3 bis 5 m.

Zum Einsatz kommt das Verfahren in geschlossenen Beständen, die für die Weißtanne als Schattbaumart die entsprechenden Lichtverhältnisse bieten. Infrage kommen so zum Beispiel kleinere Käfer­löcher oder Kiefernbestände im Alter 40 bis 50 Jahre. Im Bergland wird vor allem unter geschlossenen, frisch abgestorbenen Fichtenbeständen Weißtanne gesät.

Neben Weißtanne lassen sich auch andere Baumarten säen. Foto: Hesebeck

Leistung: 2 ha/Tag

Pro Tag können bei entsprechender Flächenlage und eingespieltem Fahrer bis zu 2 ha gesät werden. Die Kosten für das benötigte Saatgut liegen bei etwa 1500 €/ha, hinzu kommen 1000 bis 1500 € für den Baggereinsatz inklusive Fahrer im Eigenbetrieb. „Das Scheibenräumgerät wird von uns gemietet, die Kosten liegen bei unserem Volumen bei 400 €/ha“, sagt Schmidtke.

Pflegen und regulieren

Die Landesforsten verzichten auf den Saatflächen auf Zaunbau, dafür ist ein entsprechender Wildbestand und die damit einhergehende Bejagung Grundvoraussetzung. „Nach der Saat ist unbedingt ein waldbauliches Management er­forderlich. Einfach wegschauen und wachsen lassen funktioniert nicht“, erklärt der Forstmann. Die Begleitvegetation muss gut im ­Auge behalten werden, zumindest in den ersten Jahren lassen die geschlossenen Bestände im Idealfall wenig Licht zum Boden – für die Schattbaumart genügt es aber. Je nach Entwicklung muss beizeiten nachgelichtet werden, eventuell wird auch eine Mischwuchsregulierung erforderlich.

„Da, wo Saatbäume fehlen, ist die Saat das natürlichste Verfahren in der Waldverjüngung nach der Naturverjüngung“, macht Schmidtke deutlich. Anders als bei wurzelnackten Pflanzen werden die jungen Weißtannen nicht erst einen Pflanzschock überwinden müssen. Auch kein Pflanzfehler wird ihnen den Start ins Leben erschweren. Das minimalinvasive Verfahren kommt zudem mit viel weniger Personal aus, als es in der klassischen Pflanzung der Fall wäre – zwei Personen können rund 150 ha in Kultur bringen. In die Bodenstruktur greift das Scheibenräumgerät kaum ein. Darum bleibt die Kapillarwirkung erhalten. Durch das doppelte U-Profil bildet sich zudem eine Senke, in der die Samen durch Niederschlag eingeschlämmt werden und sich das Wasser gleichzeitig zum Vorteil der auflaufenden Sämlinge besser hält. Je nach Bestand kann die maschinelle Saat die Palette in der Waldbegründung bei geringen Kosten pro Hektar effektiv erweitern. Neben der Weißtanne ist das Verfahren auch für andere Baumarten wie Lärche, Douglasie, Kiefer sowie Birke, Eiche und Rotbuche anwendbar. Erste, bereits aufgelaufene Sämlinge stimmen optimistisch – ganz im Sinne Erdmanns lassen sich so vielfältige Wälder begründen.

Autor: Carl Hesebeck

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