Auf den „Kalamitätsflächen“ ist der Weg für den Ausbau der Windenergie frei. Im Siegerland gehören diese Flächen häufig Waldgenossenschaften. Foto: Benedikt/stock.adobe.com

Hauberg 2.0

Die Siegerländer Hauberge sind seit jeher die Energieversorger der Region. Statt Brennholz sollen die Waldflächen künftig Strom liefern.

Der Wald im Siegerland gehört zum größten Teil den Waldgenossenschaften. Zusammenschlüsse, deren Ursprung in der Haubergswirtschaft und somit der Brennholzwerbung liegt. Wenngleich das Heizen mit Holz in der Region bis heute weit verbreitet ist, sollen die Wälder jetzt „Platz“ für Windkraftanlagen machen. Hierzu hat sich vor einigen Wochen mit dem „Siegerländer Modell“ eine Bürger-Energie­genossenschaft gegründet.

Windkraft im Wald: Kalamitätsflächen bevorzugt

Die Windkraft ist wesentlicher Teil der Energiewende. Und geht es nach der NRW-Landesregierung, sollen jährlich Dutzende neue Windkraftanlagen entstehen. Hierfür hat das Land auch Waldflächen ins Auge gefasst – vor allem Kalamitätsflächen, auf denen die ­Fichte infolge von Trockenstress und Schädlingsfraß abgestorben ist. Traditionsbedingt gehören diese Waldflächen im Siegerland mehrheitlich den Waldgenossenschaften. Diese forstlichen Zusammenschlüsse bringen einige Besonderheiten mit sich: Beispielsweise besitzen die Genossen Waldanteile, statt reeller Waldflächen. Über die Geschicke der Waldgenossenschaften entscheidet die Jahreshauptversammlung, die wiederum ehrenamtliche Vorstände für die Organisation des Tagesgeschäfts wählt.

Zwar haben die Waldgenossenschaften für sich durchaus das Potenzial von Windkraft im Wald erkannt. Wegen der speziellen Strukturen sind Windkraftprojekte „auf eigene Faust“ aber kaum durchführbar. Aus diesem Grund hat der Landwirtschaftliche Kreisverband Siegen (Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverband WLV) zusammen mit der Bezirksgruppe des Waldbauernverbandes und weiteren regionalen Partnern die Bürger-Energiegenossenschaft Siegen-Wittgenstein gegründet. Die Idee beschreibt Henner Braach, Vorsitzender des WLV-Kreisverbandes Siegen: „Wir haben ein ­Modell gesucht, mit dem auch die Waldgenossenschaften ohne zu großes persönliches Risiko zu Energiewirten werden können.“

Flächenpacht und „Energie-Aktien“

In der Praxis sollen nun potenzielle Windenergiestandorte geprüft werden. Geeignete Flächen wird die Bürger-Energiegenossenschaft anschließend pachten. Das verspricht Einnahmen für die Waldgenossenschaften. Doch die Waldgenossen können auch selbst Mitglied der Energiegenossenschaft werden und so an den künftigen Stromeinnahmen teilhaben.
Aktuell befindet sich die Bürger-Energiegenossenschaft in der ersten Phase. „Wir brauchen zunächst Eigenkapital“, sagt Georg Jung, Geschäfts­führer des WLV-Kreisverbandes. Hierzu sollen sich
etwa 50 Mitglieder – bestenfalls Waldgenossen – finden, die einen Mindes­teinsatz von 500 € zahlen. In dieser Phase findet auch die Projekt­entwicklung durch die BBWind statt – eine Tochtergesellschaft des WLV.

In der zweiten Phase, der Investitionsphase, öffnet sich die Genossenschaft der breiten Öffentlichkeit. Denn eine Beteiligung aller Siegerländer sowie Interessenten aus den benachbarten Landkreisen ist absolut erwünscht. Das soll zum Mitmachen anregen und zudem Akzeptanz für die Windkraft schaffen. Diese Phase wird aber erst in zwei bis drei Jahren starten.
Vermarktet werden soll der demnächst erzeugte Strom über die Siegener Versorgungsbetriebe, die ebenfalls Partner des Projekts sind. „Der Windpark wird die moderne Fortsetzung des Haubergs sein“, sagt Thomas Mehrer, Geschäftsführer der Versorgungsbetriebe.

Aktuell liegen dem Kreis Siegen ­etwa 150 Bauanträge für Windenergieanlagen vor. Mithilfe der Bürger-Energiegenossenschaft soll die Wertschöpfung durch die Windkraft in der Region bleiben, statt an fremde Projektierer zu ­gehen.

Grundsätzlich ist diese Form der Bürgerbeteiligung ein Modell, das auch in anderen Regionen mit kleinparzelliertem Waldeigentum lohnend sein könnte.