Dieser Brennholzstapel ist Sinnbild des Gemeinschaftswaldes im Siegerland. Denn das Solidarmodell ist aus der einstigen Haubergswirtschaft entstanden. Foto: Schlotmann

Gemeinschaftswald: Ideeler Besitz auch ideal?

Im Gemeinschaftswald gehört mehreren Waldbauern ein großes Waldstück. Sie sind Anteilseigner statt Flächeneigentümer. Sehr erfolgreich funktioniert das Modell im Siegerland. Lässt es sich auch in andere Regionen übertragen?

Die meisten „realen Privatwaldbesitzer“ können ihre Bestände leicht auf einer Karte zeigen. Im Gemeinschaftswald ist das nicht so einfach möglich. Statt eigener Flächen besitzen die sogenannten Anteilsberechtigten dort Waldanteile. Für die Forstwirtschaft in den sonst kleinparzellierten Wäldern bringt das viele Vorteile mit sich. Für die Vorstände allerdings auch viel Arbeit.

Hauberge und Jahnschaften

[ihc-hide-content ihc_mb_type=“show“ ihc_mb_who=“4,7″ ihc_mb_template=“3″]

Forstlich gesehen sind die Waldgenossenschaften typisch für den Altkreis Siegen. Allerdings gibt es sie auch über die Region hinaus – landesweit sind es mehr als 270, davon 70 % im Kreis Siegen-Wittgenstein. Der Ursprung des Gemeinschaftswaldes in Nordrhein-Westfalen ist unterschiedlich. Während die „Olper Jahnschaften“ unter hessischer Regierung im 19. Jahrhundert diktiert worden sind, geht die Entstehung der Siegerländer Waldgenossenschaften auf markgenossenschaftliche Ursprünge zurück und ist eng mit der Haubergswirtschaft verknüpft. Dabei haben die Bewohner der Region in dem ihre Dörfer umgebenden Wald gemeinschaftlich die klassische Haubergswirtschaft betrieben. Das ist eine Kombination aus Wald- und Feldbau sowie Weidewirtschaft auf derselben Fläche. Das Ziel: Gleichzeitig Holzkohle für die Montanindustrie gewinnen und die Bevölkerung mit Holz, Getreide und tierischen Erzeugnissen versorgen.

Dazu wurde der Wald im Kurzumtrieb von bis zu 25 Jahren bewirtschaftet. Die geschlagenen Niederwälder aus überwiegend Eichen und Birken verjüngten sich hauptsächlich durch Stockausschlag. Diese auf regelmäßige Erträge ausgelegte Bewirtschaftung des Siegerländer Waldes gab es bereits lange bevor 1713 der Begriff der „Nachhaltigkeit“ geprägt wurde. Die Bewirtschaftung der Hauberge wurde ab 1562 in Gesetzen und Verordnungen geregelt. Seit 1975 gibt es in NRW das Gemeinschaftswaldgesetz. Damit wurden auch die Jahnschaften und Haubergsgenossenschaften zu Waldgenossenschaften. Die jüngste Waldgenossenschaft wurde 2013 bei Remscheid im Bergischen Land gegründet.

Gemeinsam wirtschaften

Von den ehemals zahlreichen Produkten aus dem Hauberg wird von den Anteilseignern nur noch das im Zuge von Durchforstungen und Pflegemaßnahmen anfallende Brennholz genutzt. Darum sind die meisten der einstigen Niederwälder inzwischen zu Hochwäldern „durchgewachsen“ oder umgewandelt worden. Trotzdem halten die Siegerländer Waldgenossen an der gemeinsamen Bewirtschaftung ihres Eigentums fest, wie die beiden Waldvorsteher Rüdiger Becker und Eberhard Kämpfer erklären. Als Waldvorsteher der „Waldgenossenschaft Hauberg Buschhütten“ bzw. „der Vereinigten Waldgenossenschaft Unglinghausen“ vertreten sie mit ihren Vorständen die Interessen der Anteilseigner. Dabei sind sie zusammen mit Revierförster Martin Sorg von Wald und Holz NRW für die Forstwirtschaft verantwortlich – ebenso für die Brennholzversorgung der Anteils­eigner. Obwohl die Waldgenossen rechtlich als Privatwaldbesitzer gelten, unterscheidet sich die Waldbewirtschaftung deutlich von der anderer forstlicher Zusammenschlüsse.

Die Waldvorsteher Eberhard Kämpfer und Rüdiger Becker wirtschaften gemeinsam mit Förster Martin Sorg in ihren Waldgenossenschaften. Foto: Schlotmann

Gesetzliche Vorgaben

Weil der Wald durch die unterschiedlichen Waldbesitzgrößen eben nicht kleinparzelliert ist, lassen sich „übergeordnete“ Waldbau- und -pflegekonzepte sehr viel unkomplizierter umsetzen. „Das gilt sowohl für die Wiederbewaldung mit Mischbeständen teilweise unter Vorwald, dem Verwirklichen von Naturschutzmaßnahmen, der Pflege der sogenannten Laubengänge bis hin zur Anlage jagdlicher Infrastruktur wie Wildäcker und Jagdschneisen“, sagt Martin Sorg.

Laubengänge – oftmals aus Eichen – wurden in der Vergangenheit zur Samen- und Bauholzproduktion angelegt. Heute prägen die alleeartigen Baumreihen vor allem das Landschaftsbild. Ihre Pflege und Verkehrssicherung verursacht hohe Kosten für die Waldgenossen. Foto: Schlotmann

Der Förster wirtschaftet anhand von Wirtschaftsplänen. „Planwirtschaft ist damit aber nicht gemeint“, scherzt er. Vielmehr erstellt Sorg gemeinsam mit dem Waldvorsteher einen Wirtschaftsplan für das jeweilige Forstwirtschaftsjahr. Dieser umfasst Maßnahmen und Kennzahlen über Wert- und Brennholzernte, Kulturbetrieb, Waldpflege, Forstschutz, Wegebau sowie Erholungs- und Naturschutzmaßnahmen. Den jeweiligen Wirtschaftsplan beschließen alle Anteilseigner in der ­jährlichen Genossenschaftsversammlung. Alles fest gemäß Gemeinschaftswaldgesetz und Satzung.

Während der jetzigen Kalamität und bereits nach Kyrill 2007 werden die Vorteile der Waldgenossenschaft als Solidarmodell deutlich: Die Käferholzernte und -abfuhr organi­sieren die Waldvorsteher Becker und Kämpfer zusammen mit ihrem Revierförster zentral. Somit lassen sich Unternehmer und ­Maschinen optimal einsetzen. Flicken­teppichartiges Aufarbeiten ist ausgeschlossen. Diese Vorteile sind auch auf die Wiederbewaldung übertragbar.

Erhöhte Anforderungen

Die Gemeinschaft bringt für die Vorstände der Waldgenossenschaften viel Arbeit mit sich. Die Verteilung des Brennholzes beispielsweise: Sie geschieht jährlich und je nach „Anteilen“. Wer kein Brennholz benötig, kann es weitergeben – wer sich nicht „bewirbt“, geht leer aus. Klare Regelungen, die dennoch immer wieder für Spannungen sorgen. Vor der Vergabe zählen die Waldvorsteher die Brennholzstämme und berechnen deren Volumen – andernorts werden die jeweiligen Selbstwerberflächen ausgewiesen. Die Ehrenamtler teilen das Holz den Waldgenossen zu. Alle Interessenten werden vor der Ernte vor Ort auf die Unfallverhütungsvorschriften und boden- sowie bestandesschonendes Arbeiten hingewiesen. Die Waldvorsteher kontrollieren zusammen mit ihren Vorständen die Brennholzernte.

Die Vorstände verwalten ehrenamtlich das Vermögen der gesamten Waldgenossenschaft. „Wir wirtschaften zum Nutzen der Anteilsberechtigten“, fasst Rüdiger Becker zusammen. Gewinne werden anteilsscharf ausgewiesen, über die Verwendung des Gesamtgewinns – beispielsweise als eine Ausschüttung an die Genossen – beschließt die Versammlung. Zudem sind die Waldgenossenschaften laut Satzung verpflichtet, Rücklagen zu bilden. Das soll eine mögliche allgemeine Umlage verhindern, die nach dem Gemeinschaftswaldgesetz möglich ist. Das kommt aber eher selten vor. Im Schadenfall haften die Waldvorstände mit ihrem Privatvermögen – sofern sie schuldhaft handelten.

Zur Aufgabe der Waldvorsteher zählen außerdem die jährliche Genossenschaftsversammlung, Vertragsgestaltungen, Termine mit Behörden und Versicherungen sowie die Fördermittelakquise.
Die Forstbehörde beaufsichtigt die Waldgenossenschaften gemäß Gemeinschaftswaldgesetz. Es schreibt auch die Bewirtschaftung zum öffentlichen Wohl und die Pflicht der forstfachlichen Betreuung vor. „Unsere Waldwirtschaft unterscheidet sich deutlich von der regulären Privatwaldwirtschaft“, betont Kämpfer. Im Zuge der „Direkten Förderung“ haben sich die Waldgenossenschaften daher um eine gesonderte Richt­linie für den Gemeinschaftswald bemüht. Mit Erfolg.

Vorteile nutzen!

Der Gemeinschaftswald hat gerade wegen der besonderen Anforderungen auch viele Vorteile, unterstreichen Becker und Kämpfer. „In den Dörfern ist das Bewusstsein der Anteilseigner, gemeinschaftlich für den Wald Verantwortung zu tragen, sehr präsent und iden­titätsstiftend, schließlich ist es „ihr“ Wald.“

Autor: Kevin Schlotmann

Für Fragen rund um den Gemeinschaftswald in NRW steht die Schwerpunktaufgabe Gemeinschaftswald von Wald und Holz NRW zur Verfügung.

Kurz gefasst

  • In Waldgenossenschaften besitzen die Waldeigentümer ideelles statt reales Eigentum.
  • Das Solidarmodell bringt viele Vorteile mit sich, ist mit der üblichen Privatwaldwirtschaft aber nicht vergleichbar.
  • Den gemeinschaftlichen Besitz verwalten die gewählten Vorstände, unterstützt von forstlichen Dienstleistern.
[/ihc-hide-content]