Waldbaulich wird die Winterlinde vor allem als „dienende Baumart“ zum Beispiel zur Schaftpflege von Eichen genutzt. Foto: Schlotmann

Die Winterlinde: Eine Alternative zur Esche?

In Liedern besungen und von den Germanen verehrt ist die Winterlinde seit Jahrhunderten eng mit dem Leben der Menschen verknüpft. Heute dient die Baumart vorrangig zur Pflege von Eichen.

Die Winterlinde ist Mittelpunkt unzähliger Lieder und Gedichte. Auch als Gerichtsstätte oder Treffpunkt für Feste schätzten unsere Vorfahren die Baumart. Was das Gehölz waldbaulich besonders macht und wie die Winterlinde zu nutzen ist, erklärten Forstexperten während einer Exkursion zum Baum des Jahres in der Nähe des Klosters Knechtsteden bei Dormagen.

Wieder im Kommen

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„In Nordrhein-Westfalen ist die Winterlinde mit knapp 2000 ha Wuchsfläche nicht sehr weitverbreitet“, so die Erkenntnis von Dr. Bertram Leder vom Zentrum für Wald- und Holzwirtschaft NRW. In Reinbeständen kommt das Gehölz in Europa zum Beispiel in Polen vor, aufgrund des kontinental geprägten Klimas. Der Forstwissenschaftler schilderte, dass die heutige Hochwaldwirtschaft die Winterlinde nach und nach verdrängt hat. Allerdings spricht der Fachmann der Baumart gerade im Klimawandel einen hohen Stellenwert zu. Die Winterlinde findet sich in vielen Waldge­sell­schaften wieder und ist dort stark, wo die Buche geschwächt ist. Im Detail heißt das: Die Winterlinde wächst auf trockenen bis sehr frischen Standorten sowie auf nährstoffarmen oder leicht sauren Böden. Sie verträgt lange Trockenheit und verkraftet bis zu zweimonatige Überschwemmung. Leder berichtete: „Im künftigen Waldbau kann die Winterlinde die vom Eschentrieb­sterben bedrohte Esche ersetzen.“

Dienende Funktion

Waldbaulich wird die Laubholzart vor allem als sogenannte dienende Baumart eingesetzt. Das bedeutet zur Schaftpflege in Eichenbeständen oder als Unterbau in Kiefern- und Lärchenbeständen, sagte Leder. Grund ist die hohe Schattentoleranz der Winterlinde. Im halbdunklen Dauerwald ist zudem eine Wertholzproduktion möglich, so der Förster. Produktionsziel sollte dann eine Zielstärke von mindestens 60 cm Brusthöhendurchmesser und eine astfreie Schaftlänge von 7 bis 10 m sein.
Kritisch sehen Experten den Absatz des Holzes. Stephan Schütte vom Regionalforstamt Rhein-Sieg-Erft gab zu bedenken, dass es zurzeit keinen nennenswerten Markt gebe. Das bei Durchforstungen anfallende Winterlindenholz wandere durch den Hacker und werde ausschließlich energetisch genutzt, meinte Schütte. Forstamtsleiter von Rhein-Sieg-Erft Uwe Schölmerich ergänzte, dass man sich künftig verstärkt auf Nischenprodukte konzentrieren wolle. Es gebe den Trend zu nachhaltig produzierten Bleistiften aus Lindenholz. Derzeit werde im Forstamt höherwertige Winterlinde nur auf Kundenanfrage geerntet. Die Preise für das Stammholz liegen bei etwa 80 €/fm.

Nebenprodukte gefragt

Interessanter als der Holzverkauf ist nach Schölmerichs Ansicht die Ernte des Winterlindensaatgutes. Im Schnitt erntet das Forstamt in den zugelassenen Beständen 200 kg Saatgut pro Jahr. Der Preis liegt bei etwa 210 €/kg.
Eine Saatguternte sei bereits ab dem Alter 30 möglich, erklärte Leder. Die Samen sind bis zu 20 Jahre lagerfähig – das ist ein großer Vorteil und sehr selten für Laubholzarten.
Lohnendes Nebenprodukt ist außerdem Honig. Während der Blühsaison im Juni/Juli könne eine Winterlinde die Grundlage von 3 kg Honig sein, wies Bertram Leder hin.

Schon in der Frühzeit verehrt

„Der botanische Name ,Tilia‘ ist seit über 2000 Jahren in der botanischen Literatur verankert“, berichtete Dr. Bernward Selter. Der Historiker erklärte außerdem, dass der heutige Begriff „Linde“ sich von dem germanischen Wort „Lintha“ ableite und Schild bedeute. Vermutlich nutzten die Menschen in früherer Zeit vor allem die Rinde bzw. den Bast der Winterlinde. Auch als Lieferant von Honig und Wachs ist die Linde schon seit jeher beliebt. Allerdings gab es damals keine Imkerei im heutigen Sinne. Geerntet wurden die Waben von wilden Bienen, so Selter. Die Wildbienenhaltung wird als Zeidlerei bezeichnet.
Insbesondere bei den Germanen war die Linde stark im Volksglauben verankert und Ort von Versammlungen und Gerichten. Die Tradition der Tanzlinden existiert in einigen Regionen bis heute.
Auf dem Höhepunkt der katholischen Heiligenverehrung entstand ein Großteil der Heiligenfiguren aus Lindenholz. Schnitzer und Drechsler erkannten früh, dass sich das weiche Holz leicht bearbeiten ließ. Selter trug vor, dass der Bestand der Winterlinde trotz ihres hohen Stellenwertes ab dem frühen Mittelalter abnahm: Auf den gut wasser- und nährstoffversorgten Standorten fand zunehmend Ackerbau statt.

Feiner Unterschied

Der Unterschied zwischen Sommer- und Winterlinde ist unter anderem an den Blättern erkennbar. Die Blatt­achseln auf der Blattunterseite der Winterlinde sind bräunlich behaart. Die Blätter der Sommerlinde sind beidseitig weißlich-weich behaart.
Faustregel: Die Sommerlinde ist behaart, weil sie im Winter friert.

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