Die Flatterulme: Ein seltener Spezialist

Natürlich ist die Flatterulme in Auwäldern zu Hause. Weil diese Standorte aber immer seltener werden, ist die Ulmenart in Nordrhein-Westfalen eine stark gefährdete Art.

Die Flatterulme zählt neben der Berg- und Feldulme zu den drei heimischen Ulmenarten. Während ihre „Verwandten“ stark unter dem Ulmensterben leiden, ist die Flatterulme vor allem durch den Verlust ihres natürlichen Verbreitungsgebiets – den Flussauen – gefährdet. Die „lang­stielige Rüster“, wie sie auch genannt wird, steht auf der Roten Liste, ist besonders schützenswert und vielerorts ein lohnender Ersatz für die Esche. Bei der Veranstaltung zum Baum des Jahres am Dienstag vergangener Woche haben wir uns die Baumart genauer angeschaut.

Als einzige mitteleuropäische Baumart bildet die Flatterulme „Brettwurzeln“ aus. Daran ist die überflutungstolerante Ulmenart leicht erkennbar. (Bildquelle: Schlotmann)
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Wenige Vorkommen in NRW

Waldbaulich spielt die Flatterulme in Nordrhein-Westfalen kaum eine Rolle. Ihr Vorkommen beträgt landesweit weniger als 1 %, beschrieb Carolin Stiehl vom Lehr- und Versuchsforstamt Arnsberger Wald. Verbreitungsschwerpunkte sind das Rheinland und die Westfälische Bucht – dort vor allem die Davert im Münsterland. Zu ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet zählen Flusslandschaften, Auen und Überflutungsgebiete. Dort wächst sie bevorzugt auf nährstoffreichen, feuchten Böden, häufig in Mischung mit Stieleiche, Erle, Esche und Spitzahorn, sagte die Försterin. Die Flatterulme ist, im Gegensatz zur Feld- und Bergulme, weniger vom Ulmensterben betroffen. Die Ulmensplintkäfer finden ihre Rinde schlichtweg nicht attraktiv. Experten sprechen daher auch von einer indirekten Resistenz. Das Problem der Flatterulme ist vielmehr der Verlust ihrer natürlichen Lebensräume.

Brettwurzeln sind typisch

Flatterulmen bilden kaum Naturverjüngung, wodurch sich ihre Verbreitung erschwert. Typisch für die bis zu 40 m hohen Bäume sind ihre Brettwurzeln – sie sind sonst nur von Bäumen des tropischen Regenwaldes bekannt.
Häufig bildet die Halbschattbaum­art starke Wasserreiser. Die Flatter­ulme ist überaus tolerant gegenüber Überflutung und Bodenverdichtungen. Darum ist sie eine beliebte Art für Alleen und städtisches Grün, fasste die Försterin zusammen.
Ab einem Alter von 35 Jahren bildet die Ulmenart Blüten aus. Die Blütezeit ist Ende März/Anfang April vor dem Blattaustrieb.
Für Honigbienen ist die Flatterulme besonders wertvoll: Sie blüht als eines der ersten Gehölze des Jahres und kann entscheidend zur Frühjahrsentwicklung eines Bienenvolkes beitragen. Honigtauerzeuger wie dem Ulmenblattfloh, der Ulmenwollschildlaus, der Gemeinen Napfschildlaus und der Ulmenblattrolllaus bietet die Flatterulme einen Lebensraum.

Ersatz für Esche und Erle?

Flatterulmen sind sehr selten und darum auf der Roten Liste der stark gefährdeten Arten. Angesichts des Eschentrieb- und Erlensterbens wächst aber die Bedeutung der Baumart. Flatterulmen kommen gut mit Wärme zurecht und sind trotz ihrer Vorliebe für nasse Standorte vergleichsweise unempfindlich gegenüber längeren Trockenphasen, erklärte Jana Hanke, ebenfalls vom Arnsberger Lehr- und Versuchsforstamt. In Auwäldern und Flusslandschaften ist die Flatterulme darum perspektivisch eine lohnende Ergänzung zu Stiel­eiche und Edellaubhölzern.
Wirtschaftlich nimmt die Baum­art nach wie vor eine Nischenrolle ein. Weil ihre graubraune Kernholzfärbung nicht so attraktiv ist wie die anderer Ulmenarten, ist ihr Holz weniger nachgefragt. Der Witterung ausgesetzt, ist Flatter­ulmenholz wenig dauerhaft, im Einsatz unter Wasser hingegen sehr. Darum wurde das Holz häufig für Pfahlbauten im Gewässerbereich verwendet.

Vielseitig nutzbar und doch wenig geschätzt

Im frühen Mittelalter wurden Flat­terulmen häufig als Mittel- und Niederwaldbaumart bewirtschaftet. Während das Flatterulmenholz einen geringen Stellenwert einnahm, wurde die Ulmenart gern als Futterlaubbaum genutzt, sagte Dr. Bernward Selter von Wald und Holz NRW. Das Laub wurde gleichermaßen als Viehfutter und für menschliche Speisen verwendet. Außerdem dienten die Blätter als Wundheilmittel. Weil die Baum­art keine nutzbaren Früchte produziert, spielte sie in der Vergangenheit nur eine Nebenrolle.
Mit dem zunehmenden Verlust natürlicher Auen- und Überflutungswälder ging der Flatterulmenbestand zurück. Durch die spezielle Förderung der „Mastholzarten“ wie Eiche und Buche in der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Rückgang der Flatter­ulme noch einmal beschleunigt, fasste Selter zusammen.
Trotz seines geringen Stellenwertes ist die Flatterulme vielseitig nutzbar: Der Ulmenbast lässt sich leicht verarbeiten und diente zur Herstellung von Seilen.
Flatterulmenholz ist vergleichsweise zäh und wurde deshalb im Wagenbau eingesetzt beispielsweise zur Fertigung von Rad­naben – auch Zahnräder in Wind- und Wassermühlen bestanden aus Flatterulmenholz. Im Einsatz unter Wasser ist die Holzart sehr dauerhaft. Deshalb wurden unter anderem Schiffskiele aus dem Holz gefertigt. In Häfen und dem historischen Venedig sind zahlreiche Gebäude auf Flatter­ulmenpfählen erbaut. Wegen des hohen spezifischen Gewichts verwendeten Fischer das Holz früher als Senker für Fangnetze. Eine etwas größere Bedeutung nahm die Flatterulme bei der Produktion von Pott­asche für die Glasherstellung ein. Aus etwa 1 t Holz wurde 1 kg Pott­asche gewonnen.

Aufmacherfoto: Daelin/stock.adobe.com

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