Birkensamen bleiben im Boden bis zu zwölf Jahre keimfähig - gute Voraussetzung für die Wiederbewaldung. Wertholz verspricht das Keimpotential allein aber noch nicht. Die waldbauliche Pflege ist hierfür entscheidend. Foto: Tennhoff

Birke: Unkraut oder Alternative?

Die Suche nach Alternativen für die Wiederbewaldung der Schadflächen läuft auf Hochtouren. Dabei wird die Rolle der Birke oft unterschätzt.

Unmittelbar nach großen Schadereignissen sind die Baumschulen mit der gesteigerten Pflanzennachfrage häufig überfordert. Die Preise für geeignete und standortangepasste Baumarten und Herkünfte steigen enorm. Gleichzeitig schmilzt das Kapital der Waldbesitzer wegen niedriger Holzerlöse wie Schnee in der Sonne. Trotzdem ist eine Wiederaufforstung dringend nötig, um die Kahlflächen wieder zu bestocken. Hier kann die Birke buchstäblich Pionierarbeit leisten – und das kostenlos.

Neuer Wald wie angeflogen

Die Dynamik der Natur sorgt dafür, dass eine „verwüstete“ Waldfläche innerhalb kürzester Zeit durch natürliche Prozesse wiederbesiedelt wird. Häufig samen sich sogenannte Pioniergehölze wie Birke, Vogelbeere, Salweide, Aspe und Erle ohne Zutun des Menschen und somit kostenlos an – eine denkbare Alternative zu einer oft kostenintensiven Anpflanzung?

Wie gesät ist diese etwa drei Monate alte Birken-Naturverjüngung aufgelaufen. (Bildquelle: Tennhoff)
[ihc-hide-content ihc_mb_type=“show“ ihc_mb_who=“4,7″ ihc_mb_template=“3″]


Pioniergehölze zeichnen sich durch ihre Unempfindlichkeit gegenüber Frost, Hitze und Trockenheit aus. Ihre Samenverbreitung erfolgt durch Wind (das gilt beispielsweise für Birke, Aspe und Weide) oder durch Vögel und Mäuse. Zudem sind sie „bodenvag“, das heißt, sie sind gegenüber dem pH-Wert des Bodens unempfindlich. Ihre Ansprüche an die Lichtversorgung sind sehr hoch – werden diese erfüllt, danken die Pioniergehölze es mit einem sehr raschen Jugendwachstum.
Warum also nicht die waldbauliche und betriebswirtschaftliche Chance nutzen, die sich mit dem „forstlichen Unkraut“ bietet? Insbesondere die Sandbirke bietet hierzu vielfältige Möglichkeiten:
– Unter einem lockeren Birkenvorwald gedeihen Schattbaumarten wie Buche und Weißtanne, welche zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen des Voranbaus eingebracht werden können.
– Konkurrenzvegetation wie Brombeere, Adlerfarn, Reitgras usw. ist unter Birkenschirm deutlich geringer ausgeprägt. Damit sinken die Gefahren für die vorangebauten Hauptbaumarten unter anderem durch Rüsselkäfer, Mäuse, Frost, direkte Sonneneinstrahlung und/oder starke Windeinwirkung – sogenannte biotische und abiotische Faktoren.
– Die erzieherische Wirkung der Pionierbaumarten als Füll- und Treibhölzer fördert die Wipfel­schäftigkeit, Feinastigkeit und natürliche Astreinigung der Hauptbaumarten.
– In Löchern und Lücken ohne Vorwaldbaumarten können gruppen- und horstweise, durch Pflanzung eingebrachte Mischbaum­arten das Baumartenportfolio ergänzen. Auf schwach bis mäßig nährstoffversorgten, mäßig frischen Böden bieten sich je nach Höhenlage Traubeneiche, Douglasie, Roteiche und Edelkastanie an. Bei besserer Nährstoff- und Wasserversorgung eignen sich Spitz- und Bergahorn sowie Wildkirsche.
– Einige Jahre nach der Kalamität ist die Versorgungslage mit qualitäts- und herkunftsgesichertem Vermehrungsgut wesentlich entspannter. Der Vorwald verschafft zeitlichen Spielraum.

Als Vorwald schützt und erzieht die Birke die später gepflanzten Buchen. (Bildquelle: Tennhoff)

Ein „hartes Holz“

Im deutschen Zolltarif wurden 1938 alle Hölzer mit einer Rohdichte (bei 12 bis 15 % Holzfeuchte) unter 0,55 g/cm³ zu den Weichhölzern, solche über 0,55 g/cm³ zu den Harthölzern gezählt. Somit gehören nur Salweide (0,46) und Aspe (0,49) zu den Weichlaubhölzern, während Eberesche (0,62), Birke (0,65), Eiche (0,67) und Buche (0,69) zu den Hartlaubhölzern zählen.

Ökologisch wertvoll

Die Weichlaubhölzer bilden eine gut zersetzbare Streu und durch ihre intensive Durchwurzelung
unterschiedlicher Bodenhorizonte werden Bodenlebewesen und die Bodenfruchtbarkeit gefördert.
Weichlaubhölzer stellen eine wichtige Futterpflanze für Raupen seltener Schmetterlinge (an Salweide: Großer und Kleiner Schillerfalter, Trauermantel, Großer Fuchs, an Aspe: Großer Eisvogel) und eine bedeutende Bienenweide dar.
Im Winter bilden die Samen eine wichtige Nahrungsquelle für verschiedene Singvögel darunter Birkenzeisig, Wacholderdrossel, Dompfaff, Kernbeißer, Seidenschwanz und Meisen.
Untersuchungen zufolge können bis zu 300 pflanzenfressende Insekten an der Sandbirke auftreten. Somit bereichert die Sandbirke besonders in nährstoff- und niederschlagsarmen Gebieten das Pflanzenvorkommen und bewirkt eine Anreicherung weiterer Lebewesen. Die Sandbirke leistet somit einen wertvollen Beitrag zur Biodiversität sowie zur Stabilisierung dieser Waldökosysteme.

Wertholz produzierbar?

Vor allem die Vorwaldbaumarten Sandbirke und Roterle eignen sich zur Wertholzproduktion. Diese kann allerdings nur dann erfolgreich sein, wenn die spezielle Wachstumsdynamik der Pionierbaumarten berücksichtigt wird. Weil Höhen- und Durchmesserwachstum früh ihren Höhepunkt erreichen, sind sehr frühe und starke Pflegeeingriffe zugunsten der vitalen fehlerfreien Bestandesmitglieder – der sogenannten Z-Bäume – in Verbindung mit einer Wertästung nötig.

Birkenholz ist vielseitig

Die Birke ist eine zerstreut-porige Splintholzbaumart. Das Holz ist fest, zäh, biegsam und elastisch, jedoch von geringer Tragfähigkeit. Außerdem ist es langfaserig, schwer spaltbar und mittelhart. Birkenholz lässt sich manuell und maschinell gut bearbeiten. Die Verleimung und Oberflächenbehandlung gilt als unproblematisch. Birkenholz ist wenig dauerhaft, aber gut imprägnierbar.

Neben der üblichen Nutzung als Brennholz, zur Papier- und Zellstoffherstellung sowie zur Palettenproduktion findet Birkenholz aufgrund der leichten mechanischen Bearbeitbarkeit vielfach bei Drechsel- und Schnitzarbeiten Verwendung. Daneben wird es gerne als Ausstattungsholz im Innenbaubereich, als Sperrholz, für Parkett, im Möbel- und Saunabau sowie zur Sportgeräteherstellung genutzt.
Die bislang in der Regel stiefmütterliche Behandlung von Birken und anderen Pioniergehölzen ­sowie das damit einhergehende geringe Stammholzaufkommen lässt keine Aussage zu erzielbaren Preisen zu. Allerdings ist wertvolles Birkenholz in überschaubarer Zeit produzierbar, wie Forstwissenschaftler unter anderem der Uni Freiburg und der Forstlichen Versuchsanstalt in Göttingen berechnet haben.

Birkenstammholz unterschiedlicher Qualität (Bildquelle: Tennhoff)
Birkenstammholz unterschiedlicher Qualität lässt sich zu wertvollem Möbelholz schneiden. (Bildquelle: Tennhoff)

Fazit

Die Sandbirke dominiert oft nach wenigen Jahren Jungbestände, die auf Kalamitätsflächen durch natürliche Wiederbewaldungsprozesse entstehen. Ihre Einbeziehung in das betriebswirtschaftliche und waldbauliche Konzept – besonders auch nach Schadereignissen – ermöglicht eine zeitliche Verschiebung von Kulturmaßnahmen. Darüber hinaus hilft die Birkennutzung, Engpässe bei der Versorgung mit geeignetem Pflanzgut zu überbrücken. Zudem ist die Birke in der Lage, wichtige Schutz- und Pflegefunktionen gegenüber den Hauptbaumarten wie Buche und Tanne zu erfüllen.
Das Vorkommen von Sandbirke kann einen wichtigen Beitrag zur Biodiversität leisten und zur Stabilisierung der Waldökosysteme beitragen – gerade im Klimawandel.
Aufgrund des raschen Jugendwachstums fallen sehr zeitig verwertbare Holzsortimente an, welche als Industrie- oder Brennholz vermarktet werden können.
In Kombination mit trupp- und gruppenweise vorangebauten Hauptbaumarten sollten die gezielte Auswahl und Pflege von Birken-Z-Bäumen zur Wertholzerzeugung mehr beachtet werden. Dabei ist jedoch immer zu berücksichtigen, dass die Produktion von Birkenwertholz in Mischbeständen – ähnlich wie bei der Pflege wertgeästeter Wildkirschen – eine besondere Aufmerksamkeit erfordert.

An den richtigen „Schrauben“ stellen

– Mit der Auswahl, gezielten Förderung und Wertästung fällt die Entscheidung zwischen Brennholz oder hochwertigem Schneide- bzw. Funierholz. Birke als Totasterhalter muss wertgeästet werden, wenn das Ziel „Wertholz“ erreicht werden soll.
– Grundvoraussetzung ist die Feinerschließung der in der Regel sehr unübersichtlichen Flächen durch Pflegepfade von etwa 1 m Breite im Abstand von 20 bis 25 m. Bei der Anlage sollte die spätere Nutzung als Rückegasse gemäß dem jeweiligen Zertifizierungssystem Berücksichtigung finden. Als Gerät eignet sich besonders der sogenannte Spacer (Husqvarna FBX 535) bzw. eine kleine Motorsäge. Eine dauerhafte farbliche Markierung der Pflegepfade ist hilfreich.
– Die Auswahl der Z-Bäume sollte bei einer Oberhöhe von etwa 9 bis 10 m erfolgen (mittlerer Brusthöhendurchmesser [BHD] 8 bis 10 cm). Bei entsprechendem Dichtstand hat die natürliche Ast­reinigung bereits eine Trockenastzone von 4 bis 5 m Höhe erreicht.
– Auswahlkriterien für Birken-Z- Bäume sind:
Standortverhältnisse: nur auf mindestens mäßig frischen Standorten ist das Wuchspotenzial der Birke gesichert
Vitalität: vorherrschende oder herrschende Bäume (Kraft’sche Klasse 1 oder 2)
Qualität: gerade Schaftform, wipfelschäftig, ohne Zwieselbildung und keine stärkeren Äste (Astdurchmesser höchstens 1,5 cm) im unteren Stammbereich
Abstand: aufgrund des Kronendurchmessers hiebsreifer Birken (BHD mindestens 45 bis 50 cm) von etwa 7 m sollte bereits bei der Auswahl der Z-Bäume ein Mindestabstand von 10 m eingehalten werden (höchstens 50 bis 80 Z-Bäume pro Hektar).
– Die erste Astungsstufe kann bereits bei der Auswahl und farblichen Kennzeichnung durch Abschlagen mithilfe eines (Wander-)Stocks bis in Reichhöhe erfolgen. Trockene Äste bis zu einem Durchmesser von 4 bis 8 mm (Bleistiftstärke) lassen sich in der Regel rindeneben ohne größeren Kraftaufwand beseitigen.
– Um die Stabilität der Z-Bäume schrittweise zu erhöhen, ist bis zu einer Oberhöhe von etwa 15 m ein Pflegeintervall von zwei bis drei Jahren erforderlich. Durch die Beseitigung von drei bis fünf Bedrängern pro Z-Baum je Pflegeeingriff kann sich der Zukunftsbaum nach und nach stabilisieren. Die Eingriffe beschränken sich auf das direkte Umfeld der ausgewählten Birken-Z-Bäume. Das heißt, die Zwischenfelder bleiben unbehandelt, was die Wirtschaftlichkeit der Pflegemaßnahme erhöht. Am Ende dieser punktuellen Ausleseläuterung konzentriert sich der Zuwachs auf die weitgehend freigestellten Z-Bäume (etwa 50 bis 80 Z-Bäume/ha).
– Aufgrund der Gefahr von Schneedruckschäden sollte die Pflege nach den letzten Schneefällen des Winters durchgeführt werden – je nach Höhenlage etwa Ende März bis Mitte Mai. Ein geeignetes Gerät ist der Spacer oder eine Handsäge mit „ARS“-Bezahnung.
– Mit der zweiten bzw. dritten Pflege sollte eine Wertästung bis auf 6 m Höhe erfolgen. Dabei sowohl Trocken- als auch Grünäste rinden­eben bis zur gewünschten Ästungshöhe entfernen. Eine Gefahr der Wasserreiserbildung besteht bei Birke nicht. Geeignete Geräte sind das Distel-Leitersystem bzw. eine Ästungsäge mit Gestänge.
– Wichtig für das weitere Wachstum der stark lichtbedürftigen Birken ist der Erhalt einer vitalen Krone. Mindestens 50 % der Baumlänge muss zu jedem Zeitpunkt eine grüne Krone aufweisen. Gut ausgebildete Kronen sind Voraussetzung für starken Durchmesserzuwachs. Aufgrund des früh und stark nachlassenden Höhenwachstums bestehen keine Möglichkeiten eines später nachgeholten Kronenausbaus.
– Im mittleren Bestandesalter gehen die in der Jugend starken Eingriffe zu mäßigen, im höheren Alter zu schwachen Entnahmen über. Sie entsprechen damit einer gestaffelten Durchforstung. Mit fortschreitendem Alter werden die Birkenbestände durch die Holzentnahme zunehmend lückiger. Dies ist der Moment, durch Vor­anbauten die nächste Waldgeneration anzulegen (Ober­höhe der Birken 18 bis 21 m). So entstehen standortgerechte Mischbestände aus licht- und schatten­ertragenden Baumarten.
– Unter optimalen, weitgehend konkurrenzfreien Entwicklungsbedingungen ist ein Zieldurchmesser von 45 bis 50 cm in 60 bis höchstens 70 Jahren erreicht. Aufgrund der ­Gefahr der Holzentwertung durch Braunkernbildung sind deutlich höhere Zieldurchmesser nicht sinnvoll.

Autor: Norbert Tennhoff, Zentrum für Wald und Holzwirtschaft, Wald und Holz NRW

Schnellstarter auf der Schadfläche

Die Keimfähigkeit der Birke ist hoch, zudem verteilt die Baumart ihren Samen verlässlich und gleichmäßig – besonders auf Schadflächen. Damit kann die Birke helfen, Kahlflächen schnell wiederzubewalden. Das bestätigen jüngste Forschungsergebnisse der TU Dresden.

Birkensamen können im Boden bis zu zwölf Jahre lang keimfähig bleiben, ­fanden Forstwissenschaftler der TU Dresden heraus. (Bildquelle: kikimor/stock.adobe.com)


Eine einzelne Birke produziert pro Jahr rund 6 Mio. Samenkörner, in Mastjahren noch mehr. Das Überraschende: Obwohl der Birkensamen durch den Wind verbreitet wird, ergibt sich über den viermonatigen Zeitraum des Samenfluges eine nahezu kreisrunde Samenverteilung um jeden Mutterbaum. ­Unterschiedliche Windrichtungen und -geschwindigkeiten sorgen für diese gleichmäßige geometrische Verteilung. Sehr unterschiedlich ist jedoch das Flugvermögen hang­auf- bzw. abwärts. Das ergab eine wissenschaftliche Untersuchung der TU Dresden auf Versuchsflächen im Staatswald von Thürin­genForst.
Bis zu 50 m rund um den Mutterbaum fanden sich 2000 bis 10  000 Samen/m² und Jahr. Bereits 100 bis 200 Birkensamen/m² würden für eine erfolgreiche Naturverjüngung ausreichen. Über den Samenflug der Birkensamen fanden die Forscher heraus, dass Birkensamen hangaufwärts knappe 100 m weit fliegen, bergab können sie im Mittel sogar bis 360 m Entfernung überwinden. Rund die Hälfte aller Samen schafft noch weitere Distanzen.
Darüber hinaus konnten die Forstwissenschaftler der TU Dresden in Birkenbeständen zwischen etwa 500 und 1100 keimfähige Birkensamen/m² zählen. In Fichtenbeständen mit 6 bis 9 eingemischten Birken/ha fanden die Wissenschaftler zwischen etwa 330 und 1000 keimfähige Birkensamen/m2. Die entsprechenden Proben wurden aus der Humusschicht und dem Mineralboden bis zu 10 cm Bodentiefe entnommen.
Ein weiteres Ergebnis zeigt, die Birkensamen bleiben im Boden bis zu zwölf Jahre keimfähig. Erfolgt in diesem Zeitraum ein Schadereignis, zum Beispiel ein Windwurf, der gleichzeitig den Boden aufbricht, werden die Samen „aktiviert“. Durch die sich plötzlich veränderten Umweltbedingungen keimen die Birkensamen dann auf. Das Wiederbewaldungspotenzial der Birke ist damit sehr hoch.
Insgesamt liefern die bisherigen Untersuchungsergebnisse für die Forstwissenschaftler der TU Dresden den Beweis, dass die Birke zum Aufbau einer Bodensamenbank fähig ist. Damit wäre eine Wiederbewaldung von Schadflächen auch durch das Bodensamenbankpotenzial möglich und von der jährlichen Samenproduktion und dem Samenflug unabhängig.
Autoren: Kevin Schlotmann und ThüringenForst

[/ihc-hide-content]